DBG · Pressemitteilung

Photosynthese, Fertilität und Pfropfen: Preise an drei Forschende der Pflanzenwissenschaft verliehen

Die drei Preistragenden (von oben links im Uhrzeigersinn): Dr. Rabea Meyberg, Dr. Meike Hüdig und M.Sc. Kai Steffen Bartusch. Fotos: Rabea Meyberg, Manuel Balparda, Syahfitri Retno Wulandari

Wie ein effizientes Enzym der Photosynthese funktioniert, warum sich ein Moos nicht mehr sexuell vermehren konnte, und wie Temperatur und ein Hormon das Ergebnis beim Pfropfen verbessern, sind die Themen der drei Forschenden, die mit den diesjährigen Wissenschaftspreisen der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) ausgezeichnet werden. Dr. Meike Hüdig, Dr. Rabea Meyberg und M.Sc. Kai Steffen Bartusch erhalten ihre Auszeichnungen während der Botanik-Tagung, International Conference of the German Society for Plant Sciences, vom 28. August bis 1. September in Bonn. Die mit jeweils 2.000 bis 2.500 Euro dotierten Preise für Forscherinnen und Forscher im frühen Karrierestadium sollen die wissenschaftliche Laufbahn der drei beflügeln, wie schon die früher verliehenen Auszeichnungen der DBG.

 

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Einzelbilder der drei Preistragenden und der von ihnen untersuchten Pflanzen:

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Aufbau und Funktion eines Schlüsselenzyms der Photosynthese

Der Eduard-Strasburger-Preis der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) geht an Dr. Meike Hüdig. Der Molekularbiologin gelang es mit einer geschickten Kombination von Methoden, den Aufbau und die Aufgabe eines Schlüsselenzyms einer besonderen Form der Photosynthese nachzuweisen, nach dessen Funktion seit mehr als 40 Jahren gesucht wurde. Diese sogenannte C4-Photosynthese betreiben nur rund drei Prozent der bekannten 250.000 Pflanzenarten, die zusammen jedoch 23 Prozent der durch Photosynthese hergestellten Biomasse produzieren. Ein Drittel der C4-Photosynthese betreibenden Pflanzen nutzt das NAD-Malatenzym in einer Schlüsselfunktion. C4-Pflanzen gedeihen an trockenen und nährstoffarmen Standorten. Mit der C4-Photosynthese können sie auch noch kleinste Mengen Kohlendioxyd verstoffwechseln ohne zu verwelken. Wie Dr. Hüdig, die am Institut für Zelluläre & Molekulare Botanik der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Veronica G. Maurino forscht, mit einer Kombination von computergestützten Methoden und biochemischer Laborarbeiten zeigte, besteht dieses Kohlendioxid-anreichernde NAD-Malatenzym in der Spinnenblume (Gynandropsis gynandra) aus zwei Untereinheiten. Die alpha-Untereinheit ist nicht spezialisiert und ist sowohl für die Kohlendioxid-Abspaltung in den Bündelzellen als auch für andere Aufgaben zuständig. Die zweite, sehr spezialisierte Untereinheit, ist geschwindigkeitsbestimmend und reguliert die Aktivität des Enzyms, indem sie auf Stoffwechsel-Metabolite reagiert. Auf diese Weise verhindert die spezialisierte beta-Untereinheit, dass sich das C4-NAD-Malat-Enzym mit ähnlichen Enzymen in die Quere kommt, die jedoch andere Aufgaben in der Pflanze verrichten. Dr. Hüdigs Ergebnisse, die in den Fachzeitschriften The Plant Cell und Frontiers in Plant Science erschienen, erlauben auch die Evolution des Enzyms zu rekonstruieren. Wie die Pflanzenforscherin zeigte, kann die spezialisierte Untereinheit auch auf andere Enzyme übertragen werden. Damit könnte sich eines Tages dieser Photosynthese-Typ vielleicht auch auf Nutzpflanzen übertragen lassen, wie beispielsweise Reis, die diese effiziente Art der Energiegewinnung nicht beherrschen. Dr. Hüdig erhielt ihre Auszeichnung am 29. August bei der Botanik-Tagung an der Universität Bonn aus den Händen des Präsidenten der DBG, Prof. Dr. Andreas Weber, und Stefanie Wolf vom Preisgeld bereitstellenden Springer-Spektrum-Verlag.

Warum ein Moos mit menschenähnlichen Spermatozoiden sich nicht mehr vermehren kann

Den Wilhelm-Pfeffer-Preis der DBG wird Dr. Rabea Meyberg verliehen für die Ergebnisse Ihrer Doktorarbeit. Sie deckte auf, warum der weltweit in der Grundlagenforschung verwendete Laborstamm des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrium patens) sich nicht mehr vermehren konnte und etablierte eine fortpflanzungsfähige Alternative. Unter Laborbedingungen wurde der Ökotyp namens Gransden während der letzten Jahrzehnte nicht häufig genug sexuell vermehrt; ein Schritt den das Kleine Blasenmützenmoos sonst jährlich durchläuft. Dadurch sammelten sich genetische und epigenetische Mutationen an, was schließlich dazu führte, dass die normalerweise bewegungsfähigen Spermatozoide immobil wurden. So konnten sie keine Eizelle für die Befruchtung mehr erreichten. Interessanterweise funktionieren die im Wasser schwimmenden männlichen Keimzellen der Moose so ähnlich wie menschliche Spermien. Dabei lebte der letzte gemeinsame Vorfahre von Moosen und Menschen vor vielen Millionen Jahren. Wie Dr. Meyberg mit verschiedenen Genom-, Transkriptom- und Epigenom-Studien kombiniert mit genetischen, zellbiologischen und bioinformatischen Methoden zeigte, existierten die für die Schlagbewegung und Fertilität menschlicher Spermien relevanten Proteine – wie etwa das Flagellenprotein CCDC39 – schon im kleinsten gemeinsamen Vorfahren und übernehmen im Moos eine sehr ähnliche Funktion. Entgegen bisherigen Wissens konnte Dr. Meyberg zeigen, dass männlichen Keimzellen von Mensch und Moos die gleichen Proteinkomplexe als Antriebsmotor benötigen. Das Moos könnte daher in Zukunft auch als Modell zur Untersuchung menschlicher Fortpflanzungsdefekte bei Männern dienen. Als fruchtbare Moos-Alternative etablierte Meyberg mit ihren Kollegen aus dem Labor von Prof. Dr. Stefan Rensing an der Philipps-Universität Marburg den Ökotyp Reute. Dieser wird nun als Modellorganismus genutzt. Auch die diversen Datensätze und Moos-Mutanten aus Dr. Meybergs Arbeiten bereichern die Grundlagenforschung an Moosen und ermöglichen es, ein umfassendes Verständnis der sexuellen Reproduktion und der beeinflussenden Faktoren zu gewinnen. Dr. Meyberg untersucht aktuell wie sich Salz- und Trockenstress auf die sexuelle Vermehrung auswirken; ein Thema, das gerade im Klimawandel relevant ist. Dr. Meybergs Arbeiten wurden am 30. August bei der Botanik-Tagung vom Präsidenten der verleihenden Wilhelm-Pfeffer-Stiftung der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Prof. Dr. Severin Sasso, gewürdigt (siehe Laudatio, pdf).

Wie Temperatur und ein Pflanzenhormon den Erfolg beim Pfropfen begünstigen

M.Sc. Kai Steffen Bartusch erhält den Horst-Wiehe-Preis der DBG für seine Arbeiten zur Temperaturabhängigkeit und den molekularen Mechanismen beim Pfropfen, einer Methode zum Vereinigen zweier Pflanzen. Diese Technik wird im Garten-, Obst-, Wein- und Zierpflanzen-Bau verwendet, um Pflanzen zu veredeln. Etwa um geschmackvolle Reben mit robusten Wurzelstöcken zu vereinen. In seinen Studien mit der Ackerschmalwand-Pflanze (Arabidopsis thaliana) analysierte Bartusch mit Fluoreszenzfarbstoffen erstmals die während des Pfropfens stattfindende Vereinigung der Transport-Gefäße beider Pflanzen bei unterschiedlichen Temperaturen: Sie wuchsen am besten bei 27 Grad Celsius zusammen. Kühlere Temperaturen verlangsamten dagegen den Heilungsprozess. In pharmakologischen Experimenten zeigte der Pflanzenwissenschaftler außerdem, wie das Pflanzenhormon Auxin den Mechanismus auf Molekülebene beeinflusst: Das Hormon wird v.a. bei höheren Temperaturen in den Blättern gebildet und von dort zur Pfropfstelle transportiert, wo es die Gefäßbildung ankurbelt. Die Ergebnisse seiner Masterarbeit schildert Bartusch, der diese Ergebnisse im Labor von Prof. Dr. Marcel Quint an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und bei Dr. Charles Melnyk an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala erzielte, in der Fachzeitschrift Development. Die richtige Umgebungstemperatur und der Zusatz von Auxin können in Zukunft die Erfolgsquoten beim Pfropfen in Gartenbau und kommerziellen Anwendungen verbessern. Derzeit arbeitet Bartusch an seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich. Bartusch hat die Auszeichnung am 31. August aus den Händen der General-Sekretärin der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Prof. Dr. Caroline Müller, erhalten und sein Thema den mehr als 550 Teilnehmenden der Tagung vorgestellt.


Kontakte

Eduard-Strasburger-Preisträgerin

Dr. Meike Hüdig
Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik (IZMB), Universität Bonn, Kirschallee 1, 53115 Bonn
Tel.: +49 228 73 9583
E-Mail: mhuedig[at]uni-bonn.de
Web: https://www.izmb.uni-bonn.de/de/molekulare-pflanzenphysiologie/team

Laudator:

Prof. Dr. Andreas Weber, Präsident der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG)
Institute for Plant Biochemistry, Heinrich-Heine-University, Universitaetsstrasse 1, 40225 Düsseldorf
Tel.: +49-211-81-12347
E-Mail: andreas.weber[at]uni-duesseldorf.de
Web: www.plant-biochemistry.hhu.de  

Wilhelm-Pfeffer-Preisträgerin

Dr. Rabea Meyberg
Philipps Universität Marburg, Pflanzliche Zellbiologie, Karl-von-Frisch-Straße 8, 35032 Marburg
E-Mail: rabea.meyberg[at]biologie.uni-marburg.de
Web: www.plantco.de   

Laudator:

Prof. Dr. Severin Sasso, Präsident der Wilhelm-Pfeffer-Stiftung der DBG
Institut für Biologie, Abtl. Pflanzenphysiologie, Johannisallee 21-23, 04103 Leipzig
Tel.: ++49 (0) 341-9736893
E-Mail: severin.sasso[at]uni-leipzig.de
Web: https://biologie.lw.uni-leipzig.de/de/institut/ag/pflaphys

Horst-Wiehe-Förderpreisträger

M.Sc. Kai Steffen Bartusch
Institut für Molekulare Pflanzenbiologie, ETH Zürich, Universitätstrasse 2, 8092 Zürich, Schweiz
Tel.: +41 (0) 44 632 38 43
E-Mail: kai.bartusch[at]biol.ethz.ch  
Web: https://impb.ethz.ch  

Laudatorin:

Prof. Dr. Caroline Müller, Generalsekretärin der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG)
Lehrstuhl für Chemische Ökologie, Universität Bielefeld, Fakultät für Biologie, W1-142, Universitätsstraße 25, 33615 Bielefeld
Tel.: +49 521 106-5524
E-Mail: caroline.mueller[at]uni-bielefeld.de 
Web: https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/biologie/forschung/arbeitsgruppen/chem_eco/

Titel der ausgezeichneten Arbeiten

Meike Hüdig, Marcos A Tronconi, Juan P Zubimendi, Tammy L Sage, Gereon Poschmann, David Bickel, Holger Gohlke, Veronica G Maurino (2021): Respiratory and C4-photosynthetic NAD-malic enzyme coexist in bundle sheath cells mitochondria and evolved via association of differentially adapted subunits. The Plant Cell 34, 597-615. DOI: https://doi.org/10.1093/plcell/koab265

Marcos A. Tronconi, Meike Hüdig, M. Eric Schranz and Veronica G. Maurino (2020): Independent recruitment of duplicated β-subunit-coding NAD-ME genes aided the evolution of C4 photosynthesis in Cleomaceae. Front. Plant Sci. 11, 572080. DOI: https://doi.org/10.3389/fpls.2020.572080

Rabea Meyberg (2020): Conserved key players required for Physcomitrella patens male fertility are affected by accumulation of (epi-) mutations. Dissertation https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2020/0063/   

Phanu T. Serivichyaswat, Kai Bartusch, Martina Leso, Constance Musseau, Akira Iwase, Yu Chen, Keiko Sugimoto, Marcel Quint, Charles W. Melnyk; High temperature perception in leaves promotes vascular regeneration and graft formation in distant tissues. Development 1 March 2022; 149 (5): dev200079. DOI: https://doi.org/10.1242/dev.200079

Hintergrund

Seit 1994 verleiht die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) den Eduard-Strasburger-Preis für hervorragende und originelle wissenschaftliche Leistungen. Das Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro wird von Springer Spektrum (www.springer-spektrum.de) bereitgestellt. Die Stiftung wurde aus Anlass der 100jährigen Wiederkehr des Erscheinens der ersten Auflage des "Lehrbuchs der Botanik für Hochschulen" von Eduard Strasburger, Fritz Noll, Heinrich Schenck und A. F. Wilhelm Schimper aus dem Jahr 1894 eingerichtet, das inzwischen „Strasburger – Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften“ betitelt ist. Die Wahl des Preisträgers erfolgt durch eine Jury, die aus den Autorinnen und Autoren der nächsten Auflage des Lehrbuches, dem Präsidenten der DBG und der Biologieplanerin von Springer Spektrum besteht. Details:
https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/strasburger-preis

Die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) verleiht seit 1990 den Wilhelm-Pfeffer-Preis für eine herausragende Dissertation aus den Pflanzenwissenschaften. Das Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro und die Auszeichnung durch die Wilhelm-Pfeffer-Stiftung soll die Karriere junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördern. Sie wird von einer Jury aus Mitgliedern des Vorstands der DBG eigenen Wilhelm-Pfeffer-Stiftung gewählt. Details: https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/pfeffer-preis

Die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) verleiht den Horst-Wiehe-Förderpreis alle zwei Jahre für eine herausragende wissenschaftliche Arbeit über ein ausschließlich pflanzenwissenschaftliches Thema. Berücksichtigt werden nur Arbeiten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bis zur erfolgten Habilitation. Der mit 2.000 Euro dotierte Preis stammt aus der Stiftung von Horst Wiehe, welcher der DBG einen Betrag zur Auszeichnung angehender Forschender bereitstellte. Details: https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/wiehe-preis

Die Deutsche Botanische Gesellschaft (DBG) ist das größte Netzwerk für Pflanzenwissenschaften und Botanik im deutschsprachigen Raum. Als gemeinnützige Gesellschaft vertritt sie alle botanischen Fachdisziplinen und fördert die Pflanzenwissenschaften. Gegründet im Jahr 1882 ist sie eine der ältesten, aktiven Botanischen Gesellschaften der Welt. Sie bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im frühen Karrierestadium voran, vereint alle Forschergenerationen und unterstützt den wissenschaftlichen Austausch ihrer mehr als 1.000 Mitglieder. Mehr: www.deutsche-botanische-gesellschaft.de