Actualia · Tagungsbericht

Botanikertagung 2009 - Ein Rückblick

Auf der "Plants for the Future" betitelten Botanikertagung trafen sich mehrere Hundert Pflanzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, um über die jüngsten Forschungstrends zu diskutieren. Sie stellen Fragen zur wissenschaftlichen Qualität und tauschten Ideen zur Zukunft der Forschung aus. Für viele Herausforderungen der Menschheit, wie die Sicherstellung von Energie, Nahrungsmitteln und kohlenstoffbasierten Rohstoffen sowie die Begrenzung der Erderwärmung, wird von Pflanzenwissenschaftlern erwartet, neues Wissens zu generieren und in neue Technologien zu transferieren. Eine Tagungsnachlese des Tagungspräsidenten, Professor Dr. Christian Wilhelm

Die Botanikertagung 2009 fand in Leipzig vom 6.11. bis zum 11.9. statt und stand unter dem Motto Plants for the future. Die Tagung gehörte zur Reihe der Jubiläumsveranstaltungen der Universität Leipzig aus Anlass des 600-jährigen Bestehens der Alma Mater Lipsiensis. Organisiert wurde die Tagung vom Kollegium des Instituts für Biologie I der Universität Leipzig unter Leitung von Prof. Dr. Wilhelm im Auftrag der Deutschen Botanischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Angewandte Botanik. Als Ort der Veranstaltung stand das neue Universitätszentrum am Augustusplatz in Leipzig zur Verfügung, das mitten in der Stadt gelegen, optimale Voraussetzungen bot.

Entwicklung zum internationalen Marktplatz der Ideen

Der Einladung waren 580 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur aus deutschsprachigen Ländern, sondern auch aus Europa und Übersee gefolgt. Den größten Anteil bildete die Gruppe der Doktoranden. Hier wurde ein neuer Trend sichtbar, der die Internationalisierung der deutschen Einrichtungen im Bereich der Pflanzenforschung deutlich macht: etwa 20% der Doktoranden kommen aus nicht-deutschsprachlichen Ländern. Auf der Tagung kamen sieben Plenarsprecher und 25 Keynote-Sprecher zu Wort, die bis auf wenige Ausnahmen ausländische Gäste waren. Damit wurde die Tradition der letzten Botanikertagungen fortgesetzt, die Tagung weiter zu internationalisieren und zu einem europäisch wichtigen Ideenmarktplatz der Pflanzenwissenschaften zu machen. Daneben wurden 136 Symposiumsvorträge gehalten und in 21 Poster-Sessions insgesamt 356 Poster in organisierten Diskussionsgruppen präsentiert. Die Veranstalter hatten darauf geachtet, dass – wie das in der Deutschen Botanischen Gesellschaft Markenzeichen ist – die Pflanzenwissenschaft in der ganze Breite vertreten war. Das Programm steht bis auf weiteres im Internet.

Unkomplizierter Informationsaustausch

Bei der Erstellung des wissenschaftlichen Programm wirkten sowohl die Sektionen der DBG mit, die insgesamt 10 Symposien inhaltlich gestaltet haben, als auch ein Programmausschuss aus den Kollegien der Botanisches Institute der Universität Leipzig und Halle, der die anderen Sektionen thematisch festgelegt hatte. Neben dem wissenschaftlichen Programm bot die Botanikertagung auch den Sektionen Raum und Zeit für Sektionsversammlungen, auf denen die weiteren Aktivitäten des nächsten Jahres geplant werden konnten. Allen Teilnehmern stand über die ganze Zeit der Tagung ein Angebot von fast 30 Firmen und Verlage zur Verfügung, die ihre Produkte vorstellten. Die Stände waren in unmittelbarer Nähe zu den Hörsälen aufgebaut, so dass ein sehr direkter und unkomplizierter Informationsaustausch möglich war.

Förderpreise für den Nachwuchs

Es ist gute Tradition, dass zu Beginn der Botanikertagung die wissenschafltichen Preise der Wilhelm Pfeffer Stiftung und der Wiehe Stiftung und der Strasburger Preis an Nachwuchskräfte verliehen werden:

  • Für Ihre Ergebnisse über den Photosynthese-Apparat der Amöbe Paulinella chromatophora erhielt Frau Dr. Eva Nowack den mit 2.500 Euro dotierten Wilhelm-Pfeffer-Preis der Deutschen Botanischen Gesellschaft. Dr. Nowack, die in der Arbeitsgruppe von Professor Michael Melkonian an der Universität zu Köln promovierte, konnte an der oben genannten Amöbe modellhaft untersuchen, wie die Photosynthese im Zuge einer Endocytobiose in den Wirtsstoffwechsel integriert wurde.
  • Frau Dr. Marion Eisenhut erhielt den mit 2.500 Euro dotierten Eduard Strasburger-Preis für ihre Arbeiten über die Evolution des photorespiratorischen Stoffwechsels. In ihrer Doktorarbeit im Labor von Professor Martin Hagemann von der Universität Rostock erforschte sie wie Phosphoglykolat-Zyklus in Cyanobakterien abläuft.
  • Der dritte Preis, ausgelobt von der Horst Wiehe Stiftung, ging an Dr. M. Lysak für das Aufdecken der Entwicklung ganzer Chromosomenbestände in Kreuzblütlern mittels vergleichenden Chromosomen-Paintings. In der Arbeitsgruppe von Professor Ingo Schubert am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben gelang Lysak erstmals das spezifische Färben ganzer Chromosomen und Karyotypen (Chromosomenbestände) in Pflanzen und damit auch die Rekonstruktion der Evolution innerhalb der Kreuzblütler (Brassicaceae).

Wie misst man wissenschaftliche Qualität?

Die Tagung bot den Teilnehmern zwei weitere Informationsveranstaltungen zu brisanten Themen an. In einer Podiumsdiskussion ging es um die Frage, wie man wissenschaftliche Qualität messen und damit vergleichbar machen kann, eine Aufgabe, die z.B. bei der Bewertung von Förderungsanträgen oder bei der Begutachtung von Publikationen von wachsender Bedeutung ist. Neben der Information, welche Maßzahlen es neben dem bekannten Impact Factor noch gibt und welche Vor- und Nachteile diese Alternativen bieten, wurde im Plenum kontrovers und offen darüber diskutiert, ob solche „Messungen“ notwendig sind und inwieweit sie zu fairen Ergebnissen führen. Konsens bestand darin, dass Maßzahlen allein nicht die Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung sein dürfen, wohl aber berücksichtigenswerte Argumente.

„Volle Tanks und Leere Teller“ – viel Forschung erforderlich

In einem zweiten, auch für die Öffentlichkeit zugänglichen Rundgespräch, ging es unter dem Titel „Volle Tanks und leere Teller“ um die Frage der Zukunft der Bioenergie: Das Podium war mit Bundesminister Wolfgang Tiefensee und dem Leiter der Volkswagen Konzernforschung, Prof. Leohold, Prof. Wagner (Universität Halle), Prof. Kaltschmitt (Deutsches Biomasse Forschungszentrum), Rainer Lang (Brot für die Welt) und dem Tagungspräsidenten prominent besetzt. Auch hier lässt sich nach dem Abend ein Konsens feststellen: die Biokraftstoffe der ersten Generation (Biogas aus Mais, Rapsdiesel) sind nicht zukunftsfähig, für eine marktfähige Umsetzung der Biokraftstoffe der zweiten Generation aus Algen und/oder organischen Reststoffen, oder schnell wachsenden Hölzern oder Riesen-Chinaschilf Miscanthus ist noch viel Forschung erforderlich. Schließlich konnten die Teilnehmer ein abendliches Konzert genießen, in dem die Big Band der Universität Leipzig ihre Kunst präsentierte.

Biologische und kulturelle Highlights

Neben botanischen Themen hatte der Veranstalter ein kulturelles Besuchsprogramm zusammengestellt, das neben „biologischen Highlights“ (Leipziger Zoo mit einem wissenschaftlichen Affenobservatorium, Botanischer Garten, Leipziger Auwald, neu gestaltete Braunkohlefolgelandschaften) auch kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten und eine Stadtführung im Angebot hatte. Den Höhepunkt der Abschlussveranstaltung der Botanikertagung bildete die Verleihung der Simon-Schwendener-Medaille an Frau Dr. Roswitha Schönwitz von der DFG für ihre besonderen Verdienste für die Förderung der Pflanzenwissenschaften.

In den Regenwald entführt

Die Tagung fand ihren festlichen Abschluss bei einem gemeinsamen Abschlussdinner im „Panometer“, in dem der Künstler Prof. Dr. Yadegar Asisis nach Originalphotographien und unter wissenschaftlicher Beratung der Leipziger Tropenbotaniker den amazonischen Regenwald optisch und akustisch so realitätsnah nachgebildet hat, dass der Betrachter sich nicht als Besucher eines „Gemäldes“, sondern wie im realen Regenwald fühlte.

Leipzig, im November 2009, Christian Wilhelm

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