Vera Wagner (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Vera Wagner erhielt den Preis für die beste pflanzenwissenschaftliche Master-Arbeit, die an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Jahr 2022 erstellt wurde, von der Deutschen Botanischen Gesellschaft.
Titel: Regulatorische Lipide am Membran-Aktin-Interface polar wachsender Pflanzenzellen
Die Ergebnisse deuten erstmals darauf hin, dass Myosine der Klasse VIII die Aktin-Anheftung an Phosphoinositide der Plasmamembran vermitteln, wobei speziell Phosphatidylinositol-(4,5)-P2-Nanodomänen eine wichtige Rolle spielen.
Das polare Spitzenwachstum von Pollenschläuchen benötigt die Koordination Membran-assoziierter Prozesse zur fokussierten Sekretion und Rückführung von Membranvesikeln mit der Dynamik des Zytoskeletts. Anhand der Kombination von in vitro Charakterisierung rekombinanter Proteine mit konfokaler Lebendzellmikroskopie wurde die Rolle bislang wenig untersuchter pflanzenspezifischer Myosine der Klasse VIII am Aktin-Membran-Interface von Pollenschläuchen untersucht. Die Hauptergebnisse beruhen dabei auf in vitro Lipid-Overlay-Tests und Liposomen-Sedimentations-Tests, auf der Modifikation der Zielproteine, sowie auf quantitativer Bildanalyse transient exprimierter Fluoreszenzfusionen.
Myosine der Klasse VIII zeichnen sich durch hochaffine Bindung an Aktin bei zugleich geringer Motor-Aktivität aus, ihre physiologische Funktion ist bislang jedoch nicht gut verstanden. In Arabidopsis thaliana gibt es vier Vertreter von Myosinen der Klasse VIII, von denen zwei spezifisch in Pollen exprimiert werden. Die hier vorgestellten Analysen zeigen, dass die pollenspezifischen Vertreter ATM2 und VIII-B an anionische Membranlipide binden können und dass diese Bindung durch einen C-terminalen polybasischen Sequenzbereich vermittelt wird, welcher Vertretern der anderen pflanzlichen Myosin-Klasse XI fehlt. Fluoreszenzmarkierte Fusionen von ATM2 lokalisieren in Pollenschläuchen an der subapikalen Plasmamembran und an filamentösen Strukturen der Zellperipherie, die mit kortikalem Aktin kolokalisieren. Dieses Verteilungsmuster stützt eine Funktion von ATM2 am Aktin-Membran-Interface. Deletion der lipidbindenden C-terminalen Region oder alternative Koexpression der Phosphoinositid-Phosphatase SAC9 vermindern beide die Plasmamembranassoziation von ATM2, was darauf hinweist, dass die Bindung von ATM2 an anionische Lipide für seine Membranassoziation notwendig ist. Die verminderte Membranassoziation von ATM2 verringert weiterhin einen hier zum ersten Mal beobachteten stabilisierenden Effekt von ATM2 auf die Aktin-Dynamik. Die vorgestellten Ergebnisse erweitern das Verständnis der dynamischen Regulation des Aktinzytoskeletts durch Membranlipide und definieren Myosine der Klasse VIII als Elemente der Aktin-Membran-Interaktion. Die Membranassoziation von Myosinen der Klasse VIII durch Bindung an anionische Lipide schafft dabei einen Interaktionspunkt zwischen Aktinfilamenten und Lipid-Nanodomänen der Plasmamembran. Die resultierende lokale Stabilisierung des Membrankontaktes erleichtert vermutlich nachfolgend die Interaktion mit weiteren regulatorischen Proteinen für die Koordination der apikalen Sekretion.
Teile der Arbeit flossen in diese Publikation ein: The pollen-specific class VIII-myosin ATM2 from Arabidopsis thaliana associates with the plasma membrane through a polybasic region binding anionic phospholipids DOI: https://doi.org/10.1016/j.biochi.2022.10.002
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Vera Wagner fertigte die Arbeit am Institut für Biochemie und Biotechnologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ingo Heilmann an.
-> zum Modell der möglichen Funktion von ATM2 am Membran-Aktin-Interface