DBG · Nachwuchsförderung

Anna-Sophie Hawranek (Universität Wien)

Links: Analysen der genetischen Populationsstruktur sowie Berechnungen von Migrationsraten zeigen stärkeren Genfluss von den diploiden Elternarten zu ihren tetraploiden Tochterarten im Vergleich zur gegensätzlichen Richtung. Auch zwischen den drei Tetraploiden findet, unseren Daten, aber auch anderen Studien zufolge (z.B. Balao et al. 2016 Heredity 116 S. 351-361), bis heute ein Austausch genetischen Materials statt. Rechts: Die evolutionäre Geschichte der drei analysierten allotetraploiden Knabenkräuter offenbart sich in unabhängigen Ursprüngen während Wärmeperioden des Quartärs. Wie bereits zuvor gezeigt (Brandrud et al. 2020 Systematic Biology 69, S. 91-109), deuten auch unsere Analysen auf Dactylorhiza majalis als älteste Art, gefolgt von D. traunsteineri und der jüngsten Art D. purpurella hin. Die effektive Populationsgröße Ne (jener sich fortpflanzender Anteil einer Population) spiegelt sowohl das Alter als auch die unterschiedlichen Verbreitungsmuster der drei Arten wieder. Dactylorhiza majalis und D. traunsteineri zeigen im Vergleich zu D. purpurella eine wesentlich höhere Ne. Die jüngere D. traunsteineri überragt jedoch unseren Berechnungen zufolge die ältere D. majalis – eine Beobachtung, welche durch den höheren Grad an Kontinuität des Verbreitungsgebietes von D. majalis erklärt werden kann. Im Gegensatz dazu wächst D. traunsteineri in drei disjunkten Arealen. Grafiken: Anna-Sophie Hawranek

Anna-Sophie Hawranek erhielt den Preis für die beste pflanzenwissenschaftliche Master-Arbeit, die an der Universität Wien im Jahr 2021 erstellt wurde, von der Deutschen Botanischen Gesellschaft.

Titel: Der Einfluss wiederkehrender Ursprünge und des Genflusses auf die genetische Struktur allopolyploider Knabenkräuter (Dactylorhiza, Orchidaceae)

Die Arbeit analysiert die evolutionäre Geschichte dreier allotetraploider Knabenkräuter, welche von denselben Elternarten abstammen, basierend auf genomischen Daten, fortgeschrittenen bioinformatischen Analysen und Koaleszenzmethoden.

Die vollständige Genomduplikation, welche zu Polyploidie führt, prägt die Evolution sowohl von Pflanzen als auch von anderen Organismengruppen. Die Eurasischen Knabenkräuter stellen aufgrund der Knappheit ihrer bevorzugten Habitate, gefährdete Arten dar – fünf dieser Arten wurden in dieser Studie näher untersucht: die drei allotetraploiden Schwesternarten Dactylorhiza majalis, D. purpurella und D. traunsteineri gemeinsam mit ihren diploiden Elternarten D. fuchsii und D. incarnata.

In der vorgestellten Studie dient ein Referenzgenom von Dactylorhiza incarnata (der väterlichen Art) als Basis um genomweite Sequenzen von mehr als 200 Individuen der drei Tetraploiden analysieren zu können. Speziell auf Polyploide abgestimmte bioinformatische Programme ermöglichen dabei populationsgenetische Fragestellungen unter Berücksichtigung des tetraploiden Chromosomensatzes zu adressieren.

Wie anhand von populationsgenetischen Clusteranalysen ersichtlich, prägen einerseits geographische Isolation, andererseits überlappende Verbreitungsareale die genetische Struktur der allopolyploiden Knabenkräuter. Weiters findet signifikant mehr Genfluss von den diploiden Elternarten zu den Allopolyploiden statt als umgekehrt, doch auch unter den Allopolyploiden gibt es einen beträchtlichen Austausch genetischen Materials, sodass die drei vorgestellten Arten zumindest noch nicht vollständig reproduktiv isoliert sind, obgleich zumindest drei verschiedene, den drei beschriebenen Arten weitgehend zuordenbare, Genpools ersichtlich sind.

Trotz der Häufigkeit von Polyploidie auf (makro)evolutionärer Ebene, kommt die Entstehung polyploider Arten dennoch nur selten vor. Zusätzlich weisen polyploide Populationen im Anfangsstadium geringe Größen und wenig genetische Variation auf. Dieser enge Genpool kann durch Kreuzung mit verwandten Arten erweitert werden und dies scheint auch bei den Knabenkräutern der Fall zu sein.

Ein Blick weiter zurück in die Vergangenheit offenbart drei unabhängige Ursprünge aus denselben Elternarten innerhalb verschiedener Interglazialperioden, also den Wärmeperioden, während des Quartärs. Demographische Modellierungen bestätigen bereits zuvor erlangte Ergebnisse bezüglich der Entstehungsreihenfolge der Polyploiden: mit ca. 594.000 Jahren ist D. majalis, eine kräftige, große Orchidee mit kontinentaleuropäischer Verbreitung, die älteste der drei Arten. Dactylorhiza traunsteineri wird auf ca. 430.000 Jahre geschätzt, sie zeigt ein verstreutes Verbreitungsgebiet mit einem allopatrischen (also von den anderen beiden Arten isolierten) Gebiet in Skandinavien, einer mit D. majalis sympatrischen Zone in den Alpen und einem zweiten sympatrischen Areal mit D. purpurella auf den Britischen Inseln. Dieses sogenannte disjunkte Verbreitungsmuster trägt zur höheren genetischen Variation bei und könnte sich in der (im Vergleich zu D. majalis) größeren effektiven Populationsgröße widerspiegeln. Die jüngste der drei untersuchten Arten ist D. purpurella mit ca. 3.100 Jahren, sie kommt auf den Britischen Inseln sowie in Teilen von Westskandinavien vor.

Der gewählte methodologische Ansatz fußend auf Bayesianischer Analyse, polyploide Genomsequenzen erst ihren diploiden Ursprüngen zuzuordnen, um sie dann getrennt voneinander als diploide Datensätze zu analysieren, wird in dieser Arbeit beschrieben. Spezielle bioinformatische Skripte zur Datenverarbeitung wurden dem Anhang der Arbeit beigefügt.

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Anna-Sophie Hawranek fertigte die Arbeit am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung in der Arbeitsgruppe von Assoc.-Prof. Dr. Ovidiu Paun an.

Weiterlesen in Hawraneks Master-Arbeit: https://plantgenomics.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_plantgenomics/News/Hawranek_DactThesis.pdf