News · Forschungsergebnis

Vielfalt macht Wälder widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel

Das MyDiv-Baumdiversitätsexperiment während des Dürresommers 2022. Foto und (c): Lena Sachsenmaier, iDiv

Dürreperioden setzen Europas Wäldern massiv zu – und im Zuge des Klimawandels könnte ihre Häufigkeit zunehmen. Doch Vielfalt hilft: Eine neue Studie unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung und der Universität Leipzig zeigt, dass Wälder widerstandsfähiger insbesondere gegenüber Trockenheit sind, wenn die Bäume unterschiedliche Strategien im Umgang mit Wasser verfolgen. Entscheidend ist dabei nicht allein, wie viele Arten vorkommen, sondern wie unterschiedlich sie Wasser aufnehmen, speichern und nutzen. Dazu untersuchte ein Forschungsteam im Baumdiversitätsexperiments MyDiv in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) das Wachstum von 2.611 Bäumen aus 10 europäischen Baumarten über sechs Jahre (2016–2021). In diesen Zeitraum fiel auch die außergewöhnliche Dürreperiode von 2018 bis 2020, unter der Waldbestände in ganz Europa litten. Das Ergebnis: Bäume mit hoher hydraulischer Sicherheit – also solche, deren Leitgewebe auch bei starker Trockenheit funktionstüchtig bleibt – und Bäume, die die winzigen Spaltöffnungen ihrer Blätter gezielt schließen können, zeigten in Dürrejahren ein stärkeres Wachstum als Bäume mit gegenteiligen Strategien im Umgang mit Wasser. Unter normalen Bedingungen dagegen hatten sie Nachteile. Diese Leistungsverschiebung zwischen nassen und trockenen Jahren verdeutlicht einen grundlegenden ökologischen Trade-off: „Es gibt nicht die eine Strategie, die immer zu mehr Wachstum führt“, erklärt Erstautorin Lena Sachsenmaier, Doktorandin beim Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und an der Universität Leipzig. „Was unter normalen Bedingungen nachteilig ist, kann in Dürrejahren zum entscheidenden Vorteil werden.” „Unsere MyDiv-Studie zeigt, dass der Schutz der Wälder im Klimawandel nicht nur eine Frage der Artenvielfalt ist, sondern auch der funktionalen Vielfalt“, sagt Senior-Autor Christian Wirth, Gründungsdirektor des iDiv und Professor an der Universität Leipzig. Die Ergebnisse sind im Fachjournal Global Change Biology veröffentlicht.

Quelle: iDiv
News · Forschungsergebnis

Ökologie trifft Hightech - Gemeinschaften aus Süßwasseralgen

Eine Algengemeinschaft unter dem Mikroskop. Foto und (c): Pia Mahler, Uni Konstanz

Biologische Artengemeinschaften sind selten stabil. Ihre Zusammensetzung ändert sich abhängig von den Umweltbedingungen im jeweiligen Ökosystem ständig – mitunter so stark, dass einzelne Arten vollständig aus einer Gemeinschaft verschwinden. Um solche Entwicklungen vorherzusagen, nutzen Forschende ökologische Modelle. Besonders vielversprechend sind dabei sogenannte mechanistische Modelle: Sie bilden grundlegende biologische Mechanismen, die das Zusammenleben von Arten bestimmen, mathematisch ab. Dadurch bergen sie das Potential, die Zusammensetzung von Artengemeinschaften über unterschiedliche Lebensräume hinweg verlässlich vorherzusagen. Doch hält dieses Versprechen auch einer empirischen Überprüfung stand? Genau das haben Konstanzer Forschende nun anhand von Gemeinschaften aus Süßwasseralgen untersucht. In ihrer Studie in Nature Communications erweitern und überprüfen sie ein mechanistisches Konsumenten-Ressourcen-Modell und bestätigen dessen hohe Vorhersagekraft. Anhand des Modells verfeinern sie zusätzlich bestehende Regeln zur Koexistenz von Arten. Die gewonnen Erkenntnisse lassen sich überall dort anwenden, wo Organismengemeinschaften um dieselben Ressourcen konkurrieren und ihre Entwicklung vorhergesagt oder beeinflusst werden soll. Das Spektrum reicht von natürlichen Artengemeinschaften, wie Planktongemeinschaften im Meer oder unserem Darmmikrobiom, bis hin zu künstlich zusammengebrachten Gemeinschaften, etwa in biotechnologischen Prozessen.

Quelle: Uni Konstanz
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Insektensterben: Simulation ergibt 24 Milliarden Euro Verlust in Europa

Ein hypothetisches Verschwinden der Wildbestäuber im Jahr 2030 würde nicht nur Ernteausfälle und steigende Lebensmittelpreise nach sich ziehen, sondern auch die Ernährungssicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand weltweit gefährden. Zu diesem Schluss kommt eine Simulation der Universität Hohenheim in Stuttgart: Allein in Europa würde im Jahr 2030 der gesamtwirtschaftliche Schaden rund 24 Milliarden Euro betragen. Besonders stark betroffen wären Ost- und Südeuropa. Der weltweite Handel könnte die Ausfälle nur teilweise ausgleichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die europäische Landwirtschaft stark von Wildbestäubern abhängt und dass deren Schutz nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch von zentraler Bedeutung ist – insbesondere in den Regionen, die am stärksten gefährdet sind und politisch solche Maßnahmen bislang am wenigsten unterstützen. Nachzulesen sind die Ergebnisse im Fachjournal Nature Communications.

Quelle: Uni Hohenheim
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Erstmals CAM-Photosynthese bei fleischfressenden Pflanzen entdeckt

Insektenfalle und Wasserspeicher - die sukkulenten Blätter von Pinguicula esseriana aus Mexiko. Foto und (c): Andreas Fleischmann, SNSB

Fleischfressende Pflanzen der Gattung Pinguicula (Fettkraut) aus Mexiko betreiben offenbar den gleichen wassersparenden Photosynthese-Weg, wie dies viele sukkulente Kakteen-Pflanzen oder Dickblattgewächse tun. Botanikerinnen und Botaniker der Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (SNSB) und der Ludwigs-Maximilians Universität München weisen die sogenannte CAM-Photosynthese erstmals für eine fleischfressende Pflanzen nach. Über die Hälfte der ca. 110 weltweit bekannten Fettkraut-Arten stammen aus den Bergregionen des subtropischen Mexikos. Dort besiedeln die kleinen fleischfressenden Pflanzen Felsböden, welche die überwiegende Zeit des Jahres sehr trocken sind. Fettkräuter passen ihren Stoffwechsel offenbar an die Trockenheit an, wie die Forschenden in einer experimentellen Studie nachwiesen: Sie wechseln zur sogenannten CAM-Photosynthese (CAM = Crassulacean Acid Metabolism oder Crassulaceen-Säurestoffwechsel), die man von vielen trockenheitsverträglichen Gewächsen kennt. Bei diesen Pflanzen bleiben die Spaltöffnungen der Blätter tagsüber geschlossen, so dass zwar kein CO2 zur Photosynthese aufgenommen wird, die Pflanzen aber so am trockenheißen Tag auch kein Wasser durch Verdunstung verlieren. Erst nachts öffnen sich die Spaltöffnungen und die Pflanze „atmet“ CO2 ein, welches gespeichert wird. Tagsüber wird auf diesen Kohlenstoffvorrat aus der Nacht zurückgegriffen. Das Forschungsteam veröffentlichte seine Erkenntnisse nun in der Fachzeitschrift Plant Biology. „Damit kennen wir nun bereits 39 verschiedene Pflanzenfamilien, in denen sich die CAM-Photosynthese unabhängig voneinander entwickelt hat,“ resümiert Studienleiterin Professorin Gudrun Kadereit, Direktorin der Botanischen Staatssammlung und des Botanischen Gartens München sowie Lehrstuhlinhaberin für Systematische Botanik an der LMU München.

Quelle: SNSB
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Fremde Pflanzenarten fügen sich schneller in Natur ein als gedacht

Die Robinie wurde in Europa vor über 300 Jahren eingeführt und beispielsweise schon um 1710 in der heutigen Tschechischen Republik nachgewiesen worden. Heute dient die Robinie mehr als 100 Mikro-Pflanzenfressern als Wirt. Foto und (c): Dr. Ingmar Staude

In heimische Nahrungsnetzwerke fügen sich fremde Pflanzenarten mit der Zeit immer besser ein. Dabei ist es nicht so wichtig, woher die Pflanze ursprünglich kommt oder ob sie mit heimischen Pflanzen verwandt ist. Viel bedeutsamer ist es, wie weit sie sich verbreitet hat und wie lange sie schon in Europa wächst. Je länger sie angesiedelt und je höher ihr Verbreitungsgebiet ist, desto mehr kleinere Pflanzenfresser wie Miniermotten, Gallmücken oder Blattläuse nutzen sie – wobei sich dann ähnlich vielfältige Interaktionen wie bei heimischen Pflanzen einstellen können. Zu dieser Erkenntnis kommen Forschende der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) unter der Leitung von Dr. Ingmar Staude. Ihre Studie haben sie gerade in der Fachzeitschrift Ecology Letters veröffentlicht. Das bedeute auf der einen Seite, dass sich die Natur besser und schneller an neue Pflanzen anpassen kann als bisher angenommen, aber auf der anderen Seite auch, dass heimische Pflanzenarten essentiell sind, um die hohe Diversität von hochspezialisierten Kleinstpflanzenfressern aufrechtzuerhalten, erklärt Staude. Dazu analysierten sie eine paneuropäische Datenbank, die über 127.000 Interaktionen zwischen 12.000 Pflanzen und 26.000 kleinen Pflanzenfressern dokumentiert, ergänzt mit Informationen zu den Pflanzen, darunter ihre Verbreitung in Europa, ihr Einführungszeitpunkt, ihre geografische Herkunft und ihre Verwandtschaft zu heimischen Arten.

Quelle: Uni Leipzig
News · Politik

Internationaler Agrarhandel: Leopoldina-Diskussionspapier zu positiven Wirkungen für Biodiversität, Klima und Ernährung

Die Art und Weise, wie Menschen die Flächen der Erde nutzen, hat einen großen Einfluss auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und das Klima. Die hohe Nachfrage beispielsweise nach Soja als Futtermittel oder Palmöl als günstiges, vielseitiges Pflanzenöl bewirkt, dass Flächen intensiv bewirtschaftet oder neu erschlossen werden. Oft gehen damit der Verlust von Biodiversität und die Beschleunigung des Klimawandels einher. Die Wirkmechanismen des internationalen Agrarhandels können aber auch genutzt werden, um positiv auf diese Zielkonflikte einzuwirken, so die Autorinnen und Autoren eines heute erschienenen Diskussionspapiers der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. n dem Papier „Wie kann der internationale Agrarhandel zu Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Ernährungssicherung beitragen?“ beschreiben sie politische, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für eine positive Hebelwirkung. Das zeitgleich veröffentlichte digitale Dossier „Agrarhandel und Konsum“ veranschaulicht das Thema am Beispiel von Soja, Kaffee und Palmöl.

Quelle: Leopoldina
News · Projekt

Forschende starten Inventur der Biodiversität

Mikroskopische Aufnahme eines unbekannten Pilzes aus einer Luftprobe in Deutschland. Foto und (c): Ulrike Damm

Die Artenvielfalt ist selbst in Deutschland zu großen Teilen unbekannt. Um diese Wissenslücken zu schließen, haben sich acht deutsche Forschungseinrichtungen in der Initiative „Unbekanntes Deutschland“ zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, bisher unentdeckte Arten systematisch zu erfassen, zu beschreiben, ihre ökologische Bedeutung besser zu verstehen und daraus Schutzmaßnahmen zu entwickeln. "Selbst in der Bundesrepublik Deutschland, einem Land mit langer Tradition naturkundlicher Forschung, ist unsere Wissenslücke enorm,“ sagt Dr. Ricarda Lehmitz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz, Erstautorin eines Artikels in npj Biodiversity, der das Projekt und die geplanten Schritte beschreibt. Die Initiative vereint taxonomische Expertise, naturkundliche Sammlungen und moderne Technologien mit der Beteiligung von Citizen Scientists. Auf diese Weise soll eine umfassende Inventur der Biodiversität Deutschlands entstehen. In der Initiative „Unbekanntes Deutschland“ sind acht deutsche Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen: 

  • das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), 
  • das Naturkundemuseum Stuttgart, 
  • das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, 
  • das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 
  • das Museum für Naturkunde in Berlin,
  • das Naturkundemuseum Karlsruhe, 
  • die Zoologische Staatssammlung München 
  • und die Senckenberg Gesellschaft für Naturkunde.
Quelle: Senckenberg