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Botanikertagung: Pflanzenforschung ist essentiell für unsere Zukunft

Tagungspräsidentin Prof. Dr. Birgit Piechulla trug zur Eröffnung der Botanikertagung ein T-Shirt, das das Motto der Tagung Plant Science for our Future zeigte. Foto: Thomas Rahr

Mehr als 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehr als zwei Duzend Ländern kamen im September zur Botanikertagung zusammen, um jüngste Forschungsergebnisse zu diskutieren. Anhand der Plenarvorträge stellt Tagungspräsidentin, Prof. Dr. Birgit Piechulla, die Vielfalt der pflanzenwissenschaftlichen Disziplinen heraus, die in Rostock besonderes Augenmerk verdienen. Die rasante Entwicklung neuer Züchtungsmethoden u.a. mit CRISPR thematisierte der öffentliche Abendvortrag an der Universität, die dieses Jahr ihre 600-Jahrfeier beging.

Plant Science for our Future und Plant Life along Gradients waren die beiden Mottos der Botanikertagung, die vom 15. bis 19. September auf dem Ulmen-Campus der Universität Rostock stattgefunden hat. Das erstgenannte Motto ist nicht nur relevant für die ca. 420 teilnehmenden Pflanzenwissenschaftler*innen, die aus 27 Ländern kamen, sondern sollte auch (zukünftig) weit in die Bevölkerung getragen werden, wie z.B. geschehen über die Medien NDR1 Hörfunk (am 15.9.19) und NDR2 ( am 16.9.19 im Nordmagazin). Es ist ein Motto, dass zum Leitmotiv der DBG werden könnte. In den sieben Plenarvorträgen und einem öffentlichen Abendvortrag wurde diesem Motto folgend die Thematik von unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet, um herauszustellen, wie essentiell die Pflanzen für das Leben der Tiere und Menschen auf der Erde sind.

Plenarvorträge über Biokrusten, Pathogene, Austrocknungstoleranz, Spezial-Metabolite, Primärproduktion, Algen und Nahrungsquellen

Über die Wichtigkeit für die terrestrischen Ökosysteme und die globale Funktion von Biokrusten, die u.a. aus photosynthetisch aktiven Mikroorganismen und Algen aufgebaut sind, berichtete Feran Garcia-Pichel (Tempe, Arizona) und zeigte auf, welchen Wandel die Biokrusten im Laufe der Evolution durchlaufen haben und welchen Veränderungen sie in der sich ständig ändernden Umwelt ausgesetzt sind. Da Pflanzen wegen der Befähigung zur Photosynthese und CO2-Fixierung die wichtigsten Organismen sind, die den erhöhten globalen CO2-Emissionen etwas entgegensetzen können, tragen auch die Biokrusten global betrachtet einen wesentlichen Betrag zur Minderung des CO2-Anstieges bei.

Für eine effiziente CO2-Assimilation ist vor allem gesundes Pflanzenwachstum wichtig. Erich Kemen (Tübingen) thematisierte, wie sich mikrobiellen Kern-Gemeinschaften vorteilhaft auf stabiles Wachstum von Pflanzen auswirken können, wenn z.B. das biotrophe Phytopathogen Pseudomonas syringae in Schach gehalten werden soll. Neben biotischen Einflüssen sind Pflanzen insbesondere auch abiotischen Stressen ausgesetzt, die gesundes Wachstum behindern. Im Zuge des Klimawandels stehen hier insbesondere erhöhte Temperaturen und damit auch trockenere Landschaften im Focus der Szenarien.

Jill Farrrell (Kapstadt, Südafrika), eine Spezialistin auf dem Forschungsgebiet der Austrocknungstoleranz von Pflanzen, wies auf die große Herausforderung in der Landwirtschaft hin, auch künftig die Ernährung der Bevölkerung mit Getreide zu gewährleisten. Sie hob hervor, dass die Getreidezüchtung zu trockenresistenten Nutzpflanzen möglich ist, wenn die Mechanismen verstanden werden, wie z.B. Wiederauferstehungspflanzen extremen Wasserverlust und schnelle Wasseraufnahme realisieren. In einer Übersicht basierend auf genomischen, molekularen und physiologischen Untersuchungen stellte sie verschiedene Pflanzen vor, wie diese mit diesen außerordentlichen Wassersituationen umgehen.

Interessant war die Argumentation von Christine Raines (Essex, UK) die feststellte, dass in der Vergangenheit verschiedene Produktivitäts-Parameter zur  Verbesserung der Nutzpflanzen zur Züchtung genutzt wurden, jedoch Photosynthese nie als screen zur Erhöhung der Nutzpflanzenerträge eingesetzt worden ist. Durch die Manipulation mehrerer Zielparameter gleichzeitig, z.B. den Elektronentransport und die CO2-Assimilation, ist es möglich die Produktivität und Ertrag zu erhöhen.

Wild-Pflanzen sind auch deshalb gesünder und resistenter gegenüber Pathogenen, weil sie ein riesiges Arsenal an Sekundär(Spezial)-Metaboliten zur Abwehr produzieren können. Mark Lange (Pullman, Washington State, USA) zeigte in seinem Vortrag eindrucksvoll auf, wie sich im Laufe der Evolution verschiedenste sekretorische Strukturen, Gewebe und Organe (Ölkörper, Harzdrüsen, Trichome etc.) in niederen bis höheren Pflanzen entwickelt haben, um die hohen Konzentrationen einiger dieser Spezial-Metabolite speichern zu  können - ohne sich selbst zu schädigen. Und er zeigte, welche biochemischen Stoffwechselwege für die Biosynthese dieser Vielfalt an Substanzen genutzt werden.

Neben den terrestrischen Pflanzen an die i.d.R. zuerst gedacht wird, wenn es um die Bewältigung der prophezeiten Klimaprobleme geht, dürfen die aquatischen Pflanzen nicht außer acht gelassen werden, wie Georg Pohnert (Jena, Deutschland) und Claire Gachon (Oban, UK) in ihren Plenarvorträgen eindrucksvoll schilderten. Wie einzellige Algen des Planktons mit der mikrobiellen Gemeinschaft zusammenwirken und welche chemischen Signale die Kommunikation zwischen diesen Organismen unterstützen, wurde von G. Pohnert erläutert. Claire Gachon machte deutlich, dass Algen ca. für die Hälfte der Primärproduktion auf der Erde verantwortlich sind. Wie bei terrestrischen Pflanzen sind nur gesunde Algen produktiv. Claire Gachon untersucht Oomyceten-verursachte Krankheiten von Algen, die weltweit auftreten und stellte Initiativen wie GlobalSeaweed und GlobalSeaweed-Star als Netzwerke vor, die global Algen als sicheres Nahrungsmittel erhalten wollen.

Um terrestrische und aquatische Pflanzen als gesunde und produktive Nahrungsquellen für die Ernährung der Weltbevölkerung zu erhalten bzw. den klimatischen Herausforderungen angepasste Pflanzen für die Zukunft zu etablieren,  oder als Produktionsorte für Pharmazeutika (Anne Depicker, Ghent, Belgien) zu nutzen, haben Menschen seit jeher Züchtungen angewendet.

Öffentlicher Vortrag über neue Züchtungsmethoden

Über die klassische Züchtung, Agrobakterium-basierte Pflanzenveränderung bis hin zu den präzisen CRISPR/Cas-Genscheren referierte Frau Ulla Bonas (Halle) als Vize-Präsidentin der Leopoldina im öffentlichen Vortrag (Open Rostock Lecture). Die Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) hat die Aufgabe, politisch-unabhängig und wissenschafts-basiert Politik und Öffentlichkeit zu informieren. In ihrer Ad-hoc-Stellungnahme ‚Klimaziele 2030: Wege zur nachhaltigen Reduktion der CO2-Emission‘ fordert die Wissenschaftsakademie unmittelbar einzuleitende Veränderungen, sozialverträgliche und innovationsfördernde Sofortmaßnahmen. In gleichem Sinne hat die DBG während der Botanikertagung in Rostock ein Statement zur nachhaltigen Ressourcen- und Klimapolitik herausgegeben.

Symposien- und Workshop-Vielfalt

Neben den hervorgehobenen Plenarvorträgen bot die Botanikertagung zu insgesamt 21 Symposien und sechs Workshops wissenschaftlichen Diskurs an. Die Aspekte der Pflanzenwissenschaften sind so vielfältig, dass die Botanikertagung dieses breite Spektrum an Themen abbilden muss. Zu den Symposien leiteten zunächst etablierte Wissenschaftler*innen ins Thema ein, um die Plattform für sehr viele Nachwuchskräfte zur Präsentation ihrer neuesten Ergebnisse zu öffnen. Da die Sessions in der Regel in drei genau parallel ablaufenden Sitzungen organisiert waren, konnten die Teilnehmer*innen problemlos zwischen den ca. 20 Parallelvorträgen hin und herwechseln.

Aktuelle Forschungsergebnisse wurden zusätzlich auf rund 190 Postern gezeigt und an ihnen erläutert und diskutiert. Die DBG zeichnete die zehn besten Poster mit einem Preis aus, die zuvor von den Teilnehmer*innen gewählt und von einer Jury begutachtet worden waren. Die Vielfalt der Disziplinen während dieses größten Treffens der Pflanzenwissenschaft im deutschsprachigen Raum erleichtert es, fachübergreifende Ideen aufzugreifen, gemeinsam innovative Projekte zu initiieren und neue Kooperationen und Forschungsprojekte zu planen.

Dank an das Komitee und die vielen helfenden Hände

Bei der Erstellung des wissenschaftlichen Programms waren alle Sektionen der DBG eingebunden und die Kolleg*innen vor Ort in Rostock haben ihnen einen speziellen ‚aquatischen‘ Touch gegeben. Ihnen allen und vor allem auch dem Organisatorischen Komitee und den 10 helfenden Studierenden möchte ich als Tagungspräsidentin danken. Sie alle (!) haben zum guten Gelingen der Tagung beigetragen und haben es ermöglicht, dass die Gäste sich in der Universitäts- und Hansestadt Rostock wohlfühlen konnten. Als speziellen Sponsor für die Verpflegung während der rege besuchten Poster-Sessions sei dem Phosphor-Campus, Rostock, nochmals herzlich gedankt.

Kommende Botanikertagung in Bonn

Nun ist der ‚Staffelstab‘ übergeben an Andreas Meyer, Bonn, der die nächste Botanikertagung in zwei Jahren ausrichten wird. See you all there! Es war mir ein Vergnügen alle Teilnehmer*innen hier in Rostock begrüßen zu können und eine Plattform zu bieten, die es vielen ermöglichte sich wissenschaftlich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen, Freunde wiederzutreffen und Freundschaften einzugehen. Das war alle Mühe wert!

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Rostock, im Oktober.

Birgit Piechulla, Lehrstuhl Biochemie der Pflanzen 


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