Einer der Beweggründe für unsere Themen-Wahl war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2018 über die Einordnung von durch neue Mutagenese-Verfahren erzeugten Organismen als 'Gentechnisch Veränderte Organismen' (GMOs). Das Urteil wurde im Vorfeld von einer leider nur wenig sachlichen, und oftmals sehr emotional geführten Debatte in der Öffentlichkeit begleitet.
Inwieweit das negative Image der pflanzlichen Biotechnologie in der Europäischen Union, und in speziellem in Deutschland, auf ein kommunikatives Versäumnis der Wissenschaftler*innen zurückgeht, oder ob andere Faktoren und Akteure die Urheber sind, lässt sich nunmehr nur schwer feststellen. Unabhängig davon sind wir der Überzeugung, dass ein Dialog notwendig ist, um zu einer Fakten-basierten Diskussion der Thematik zurückkehren zu können.
Die ZMBP-Summer Academy 2019 wurde von uns mit der Absicht organisiert, die kommunikativen Fähigkeiten der Doktoranden*innen dahingehend zu verbessern, dass sie komplizierte Sachverhalte und Technologien einfach und ansprechend darstellen können.
Wir hoffen, dass unsere Tagung dazu beigetragen hat, die Entwicklung von Fähigkeiten bei jungen Wissenschaftler*innen zu fördern. Nicht nur, damit sie ihre Forschung mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft effektiv teilen können, sondern auch um ihnen eine konstruktive Teilnahme an der öffentlichen Diskussion zu ermöglichen.
Vom 23. bis zum 25. September trafen wir uns auf der Schwäbischen Alb im Tagungshaus-Kloster Heiligkreuztal. Das historische Ambiente des Nonnenkonvents aus dem 13. Jahrhundert war wahrlich traumhaft. Das abgelegene Kloster hat nur schlechten Funk-Empfang und Internet-Zugang. Dies war so gewollt. Ohne den störenden Einfluss von Twitter, Facebook und co. konnten sich die Teilnehmer*innen auf die Wissenschaft und die Interaktion miteinander konzentrieren. Wie von selbst ergaben sich Gespräche und neue Kontakte.
Die Veranstaltung begann mit einem von Dr. Daniel Mertens von Schiller&Mertens organisierten Workshop, der die Doktoranden*innen an die Schwierigkeiten und Fallstricke der Wissenschaftlichen Kommunikation heranführte und Lösungsstrategien aufzeigte. Die praktischen Übungen beförderten die Studenten*innen katapult-artig aus ihrer Komfortzone und ließ sie neue Ansätze wagen. Wohl selten wurde auf einer Tagung so viel gelacht.
Wenn sich Darstellungen ins Gegenteil verkehren
Eine Haupt-Erkenntnis des Workshops war, wie leicht Details in einer Darstellung das Gegenteil von dem vermitteln, was sie mitteilen sollen. In der Komplexität geht die Haupt-Aussage schnell verloren; der Fokus verschiebt sich ungewollt auf das Nebensächliche. Die Reduzierung eines komplexen Themas auf essentielle Gedanken und Informationen ist somit zugleich Herausforderung und Voraussetzung für eine effektive wissenschaftliche Kommunikation.
Der Workshop war ein voller Erfolg; nicht nur weil er Fähigkeiten in einer einprägsamen Form vermittelte, sondern auch, weil er den Teilnehmern*innen die Hemmungen nahm und das Eis brach. In einem vertrauten Miteinander starteten wir in die Vortrags- und Diskussionsrunden, die sich mit Poster-Präsentationen abwechselten und den Studenten*innen Möglichkeiten zur Übung der neuen Fertigkeiten gaben.
Bedeutung des Wann und Wo wissenschaftlicher Veröffentlichungen
Mit eingeladenen Forschern*innen wurde die Bedeutung der Wahl des Veröffentlichungs-Mediums und -Zeitpunktes im Hinblick auf die Karriere-Chancen von jungen Wissenschaftlern*innen erörtert. Vertreter*innen von wissenschaftlichen Fachzeitschriften und ASAPbio (Advokat für die Transparenz und Innovation in der Wissenschafts-Kommunikation) dienten hierbei als Expertengruppe. Teilnehmer*innen und Experten*innen waren sich einig, dass die Anzahl der Publikationen und deren Impact Faktoren kein gutes Kriterium für die Produktivität und Leistungsfähigkeit junger Wissenschaftler*innen ist. Mit Bedauern wurde festgestellt, dass diese Kriterien in der Praxis dennoch Anwendung finden. Zum Beispiel ist ein Portfolio einschlägiger Zeitschriften-Namen in der Publikationsliste eines*r jungen Gruppenleiters*leiterin praktisch Voraussetzung für dessen*deren weiteren Karriere-Aufstieg. Entsprechend könne es vorkommen, dass Gruppenleiter*innen sich gegen die Durchführung mehrerer kleiner Projekte und deren Veröffentlichung zu Gunsten einer langwierigen Forschungsarbeit mit Publikation in einem hoch-rangigen Journal entscheiden müssten. In diesem Fall sei es nicht unüblich, dass mehrere Generationen von Studenten*innen an demselben Projekt arbeiteten. Je nach Stand des Projektes zu deren Promotions-Beginn könne die Veröffentlichung dann noch in ferner Zukunft der Promovierenden liegen.
Diese Publikations-Strategie, die von einem der eingeladenen Wissenschaftler so treffend als 'Opfern von Doktoranden' umschrieben wurde, steht im Gegensatz zu den Interessen der Studenten*innen, deren Chancen, eine begehrte Anstellung als Post-Doktorand*in zu bekommen, von dem Vorhandensein eigener Publikationen abhängig sein kann.
Reviews und Preprints
Oft scheitern zeitnahe Veröffentlichungen auch an den langen Review-Prozessen, die auf die Übermittlung des Manuskripts an Fachzeitschriften folgen.
Dr. Naomi Penfold (ASAPbio) merkte an, dass sogenannte Preprint-Veröffentlichungen das ändern könnten. Die Thematik wurde von ihr in einem interaktiven Workshop näher erläutert: Preprints sind vollständige wissenschaftliche Manuskripte, die auf Servern (z.B. bioRxiv) frei zugänglich abgelegt werden. Während sie in den Gebieten der Informatik, Mathematik und Physik längst anerkannt sind, beginnen Wissenschafter*innen in den Biowissenschaften ihren Wert erst jetzt so langsam zu erkennen. Das in Manuskripten enthaltene Wissen wird der wissenschaftlichen Gemeinschaft durch Preprints deutlich schneller zur Verfügung gestellt als dies durch klassische Zeitschriftenartikel möglich ist. Dadurch könne der Fortschritt in einem Forschungsfeld beschleunigt werden. Preprints würden zunehmend auch als Leistungskriterium und wissenschaftlicher Produktivitätsnachweis für Anträge und Bewerbungen akzeptiert, so Naomi.
In dem Workshop wurde das Missverständnis aus dem Weg geräumt, dass sich das Preprint-Publizieren und Veröffentlichen in einem klassischen Zeitschriftenjournal gegenseitig ausschließen würden. Im Gegenteil; die meisten Zeitschriftenverlage erlauben die Veröffentlichung eines Preprints vorab, oder parallel zu der Übermittlung eines Manuskriptes an die Fachzeitschrift. Manche Editoren*innen durchforsten sogar die Preprint-Server nach interessanten Veröffentlichungen, deren Autoren*innen sie dann zur Übermittlung des Manuskriptes an Ihr Journal einladen.
Teilnehmer*innen äußerten die Befürchtung, dass die Qualität der Forschung darunter leiden könnte, dass der klassische Peer Review-Prozess auf Ebene des Preprints keine Anwendung findet. Naomi entwertete dieses Argument mit Verweis auf Studien, die belegen würden, dass sich für Manuskripte, die erst als Preprints veröffentlicht und später in einer Fachzeitschrift akzeptiert worden waren, inhaltlich kaum Unterschiede finden ließen.
Scooping verhindern
Eingeladene Wissenschaftler*innen, die ebenfalls an dem Workshop teilnahmen, diskutierten mit uns ferner, dass Preprints das Potential haben, sogenanntes Scooping (i.e. Stehlen von wissenschaftlichen Daten und Ideen) zwischen Forschern in hoch-kompetitiven Forschungsfeldern zu limitieren. Mit dem Speichern eines Manuskriptes auf einem Preprint-Server werden Autorenschaft und Erst-Publikationsdatum dokumentiert. Damit werden Urheberrechte mit gleicher Gültigkeit festgehalten, wie durch Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift.
Neue Züchtungsmethoden und EuGH-Urteil
Es folgten Vorträge über angewandte Pflanzen-Biotechnologie und neue Züchtungsmethoden, an die sich eine Diskussion vor dem Hintergrund des in der Einleitung erwähnten EuGH-Urteils anschloss. Eingeladene Wissenschaftler*innen, die diese Technologien im Rahmen Ihrer anwendungsorientierten Forschung selbst verwenden, dienten neben Vertretern*innen globaler Saatgut-Konzerne und des Bundesforschungsinstitutes für Kulturpflanzen als Expertengruppe.Fragen zu den Regularien und dem öffentlichen Image der Pflanzen-Biotechnologie wurden in der Diskussion aufgegriffen und durch die Experten adressiert.
Der EuGH entschied in seinem Urteil über die regulatorische Einordnung von durch neue Mutagenese-Verfahren erzeugte Organismen als GMOs entgegen den Empfehlungen seines wissenschaftlichen Berater-Gremiums.
Frau Dr. Eva Gietl, aus dem Regulatory Affairs Team des Saatgut-Unternehmens KWS, wies darauf hin, dass der EuGH auf Grund der bestehenden Gesetzeslage praktisch keinerlei andere Entscheidungsmöglichkeit gehabt hat. Der regulatorische Rahmen basiere auf 30 Jahre alten Gesetzen und juristischen Definitionen, die einer Aktualisierung bedürften, wenn diese Technologien den Europäischen Markt erreichen sollten. Andernfalls ergäbe sich ein regulatorisches Dilemma, da Genom-Editierte Pflanzen sich nicht von den durch klassische Züchtung erzeugten Mutanten unterscheiden ließen, ergänzte Dr. Frank Röber (Corteva Agrisciences). Zwei gleiche Produkte würden unterschiedlich reguliert; dies sei schlecht für Befürworter und Gegner der Technik gleichermaßen.
Unter der Prämisse, dass in einem demokratischen System wie der Europäischen Union Gesetze nur verändert werden sollten, wenn dies von der Bevölkerung gewollt ist, wurde die Diskussion auf die öffentliche Debatte und die Herausforderungen in der Kommunikation pflanzlicher Biotechnologie mit der Öffentlichkeit gelenkt. Die eingeladenen Sprecher*innen schilderten Ihre Erfahrungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Es wurde erörtert, ob und wie wir junge Wissenschaftler*innen uns an der Aufgabe beteiligen können, die öffentliche Debatte zurück auf eine sachliche Ebene zu führen, um auf lange Sicht eine Aktualisierung des regulatorischen Rahmenwerks zu bewirken.
Forschungsstipendien und Karriereoptionen
Eine Frage, die sich für viele Doktoranden*innen nach der Promotion stellt, ist die nach der Finanzierung ihrer weiteren Karriere. Dr. Oliver Lange wies in seinem Vortrag darauf hin, dass es bei der Alexander von Humboldt Stiftung, die er als Sprecher vertrat, verschiedene Forschungsstipendien speziell für junge Wissenschaftler*innen gibt. Besonders zu erwähnen sei an dieser Stelle die Feodor Lynen Research Fellowship, die von Seite der Pflanzenwissenschaftler*innen aus nur selten Bewerbungen erhielte; die Aussichten auf die Bewilligung einer Förderung seien hier gut.
Karriere-Optionen für die jungen Wissenschaftler*innen wurden außerhalb der Vorträge aufgezeigt. Die ausgesprochen flache Hierarchie der Veranstaltung und der Informelle Umgang miteinander machte es den Doktoranden*innen leicht, neue Kontakte zu knüpfen und mit potentiellen Arbeitgebern ins Gespräch zu kommen. Reichlich Gelegenheit hierzu gab es während den Kaffeepausen, den Mahlzeiten und Gesellschaftsaktivitäten am Abend.
Prof. Dr. Ive De Smet (University of Ghent) kommentierte, dass diese Art der Veranstaltung eine Exzellente Möglichkeit für Gruppenleiter*innen biete, nach künftigen Mitarbeitern für ihre Arbeitsgruppen Ausschau zu halten.
Studenten*innen, die eine akademische Laufbahn nicht weiter verfolgen mochten, traten ihrerseits an die Vertreter*innen der wissenschaftlichen Zeitschriftenverlage und Saatgut-Unternehmen heran; angeregte Gespräche ließen sich beobachten.
Preise für Vortrag und Poster
Um die kommunikativen Bemühungen der Studenten*innen während der Veranstaltung zu belohnen, wurden Auszeichnungen für außerordentliche Präsentationen vergeben.
Die Jury für die Bewertung bestand hierbei aus der Gesamtheit der Studenten*innen selbst. Für die Beurteilung der Vorträge und Poster brachten Sie die erlernten Kriterien guter wissenschaftlicher Kommunikation zur Anwendung.
Der Preis für die beste Poster-Präsentation ging an Tim David Rammler (Universität Tübingen) für sein Poster 'Effects of quantum optical influence on living photo-autotrophic cyanobacteria'. Sein Poster überzeugte durch die klare Strukturierung, die sparsame aber prägnante Verwendung von Text-Elementen und die gut gelöste grafische Abstraktion des komplexen Bio-Physikalischen Themas.
Jennifer Saile (Universität Mainz) erhielt eine Auszeichnung für Ihren Vortrag 'Regulation of light- and sugar-dependent alternative splicing during early photomorphogenesis'. Mit spielerischer Leichtigkeit gelang ihr die flüssige Präsentation ihres Forschungsthemas. Elegant waren die Cartoons, die sie verwendete, um ihren Vortrag einzuleiten und die einzelne Abschnitte zusammen zu fassen. Die Verwendung von sich wiederholenden grafischen Symbolen in den Legenden von Methoden- und Ergebnis-Abbildungen machten es einfach ihrem Vortrag zu folgen.
Jennifer und Tim erhielten neben einem Zertifikat jeweils einen kleinen Sach-Preis.
Die vierte ZMBP-Summer Academy war eine für uns insgesamt gelungene Veranstaltung. Auch die eingeladenen Wissenschaftler*innen waren zufrieden. Einige merkten an, dass sie ihren eigenen Doktoranden*innen die künftige Teilnahme an dieser Tagung empfehlen wollen.Die nächste Veranstaltung dieser Art, die fünfte ZMBP-Summer Academy, wird 2021 stattfinden.
Wir bedanken uns bei der Deutschen Botanischen Gesellschaft für die großzügige Erst-Förderung unserer Tagung.
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Im Oktober 2019
Im Namen des Organisations-Teams, Louis-Philippe Maier, ZMBP - Plant Biochemistry Department, Eberhard Karls Universität Tübingen
Die Tagungswebsite bietet eine Programm-Übersicht und ein Abstract-Booklet: https://www.summer-academy-2019.info/downloads