Leben und Werk Eduard Strasburgers (1844-1912)
"Die Wissenschaft ist ein steter Fluss"
Schon im vorletzten Jahrhundert schrieb der Pflanzenwissenschaftler das bekannteste botanische Lehrbuch, das auch heute noch verlegt wird. Doch manche seiner revolutionären Erkenntnisse wurden heftig angegriffen und andere erst nach vielen Jahrzehnten endgültig bewiesen.
Bibel für Botaniker
Sein "Lehrbuch der Botanik für Hochschulen" oder salopp "Der Strasburger" wurde zur "Bibel für Pflanzenwissenschaftler", wie Hildegard Finke in der Festschrift zum 100jährigen Geburtstag des Buches schwärmt[1].
Erstauflage für 7,50 Reichsmark
1894 erschien die von Strasburger und drei Privatdozenten verfasste erste Auflage, die 7,50 Reichsmark kostete und dem Leser 558 Seiten Forschungsergebnisse bot. In den Folgejahren wurde das Lehrbuch in acht andere Sprachen übersetzt. Die aktualisierte 35. Auflage (2002) ist inzwischen auf über 1100 Seiten angeschwollen und nicht mehr unter 80 € zu haben.
Mit 25 Professor, mit 47 ins Popperlsdorfer Schloss
Nach seiner Habilitation wurde Strasburger bereits im Alter von nur 25 Jahren an die Universität Jena berufen. Zuvor hatte er in Paris, Bonn und Jena studiert und 1866 seine 130 Seiten umfassende handschriftliche Dissertation "Asplenium bulbiferum. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Farnblattes mit besonderer Berücksichtigung der Spaltöffnungen und des Chlorophylls" verfasst. 1881 folgte er einem Ruf nach Bonn, wo er im Botanischen Institut im Poppelsdorfer Schloss bis zu seinem Tode wirkte und zwei weitere Rufe (nach Tübingen und München) ablehnte.
Revolution in der Cytologie
Auch wenn Strasburger ein ausgezeichneter Pädagoge war und wie Wilhelm Pfeffer zahlreiche Schüler ausbildete, sah er seine Lebensaufgabe auch nach dem Erscheinen des Lehrbuchs in der Forschung. Strasburger erneuerte die botanische Cytologie[2]: Er war der erste Pflanzenwissenschaftler, der beim Mikroskopieren gezielt Fixierungs- und Färbemethoden benutzte.
Streit beim Kongress
Als er die pflanzliche Kernteilung 1877 in Amsterdam auf einem Botanikkongress vorstellte, wurde er heftig kritisiert, weil man die Kernteilung wegen der neuen Färbemethoden für ein Artefakt hielt. Strasburger musste sogar von Anton de Bary [Link] in Schutz genommen werden, so heftig waren die Angriffe. Strasburger konnte jedoch nachweisen: Tochterkerne können nur aus der Teilung von Mutterkernen hervorgehen. Dieses Ergebnis hielt er für so bedeutsam, dass er seinen Verleger bat, die bereits ausgelieferte zweite Auflage seines Buches über die "Zellbildung und Zelltheilung" zurückzukaufen und eine verbesserte dritte Auflage auf den Markt zu bringen.
Erst 60 Jahre später der Beweis
Strasburgers Interesse galt Befruchtungsvorgängen in Farnen, Coniferen und bei Marchantia. Sein Postulat, die weiblichen Zapfen der Nadelhölzer seien keine Blüte, sondern ein Blütenstand, wurde erst 60 Jahre später durch einen Fossilienfund bewiesen. 1884 beobachtete er die Kernverschmelzung bei der Befruchtung von Blütenpflanzen, die er im Buch "Theorie der Zeugung" beschrieb.
Wassertransport über tote Zellen
Er beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Cytologie, sondern erforschte auch physiologische Prozesse. In seinem 1000 seitigen Werk "Ueber den Bau und die Verrichtung der Leitungsbahnen in den Pflanzen" erbrachte er beispielsweise den Nachweis, dass zum Wassertransport keine lebenden Zellen notwendig sind.
Fehler verschwinden im Fluss
Insgesamt hat Strasburger mehr als 120 Bücher, Berichte und Rezensionen veröffentlicht, zusammen über 6000 Seiten. Ihm lag am raschen Publizieren. Das gelang ihm nur, weil er seine Ergebnisse und Gedanken täglich notierte. Diese chronologische Darstellung behielt er häufig in den Veröffentlichungen bei. Seine Abhandlungen sind daher auch voll von Details und meist unübersichtlich. Die beim hastigen Arbeiten entstehnden Fehler störten ihn jedoch wenig, denn er vertrat die Auffassung, "in der Wissenschaft sei doch alles in stetem Flusse begriffen".
Fünf Ehrendoktortitel
Die Bedeutung Strasburgers für die Botanik lässt sich an den von ihm geprägten Fachtermini erkennen, wie Phototaxis, Zellplatte, Gamet, Cyto- und Nulceoplasma, Pro-, Meta- und Anaphase, Plasmodesmen, haploid und diploid. Fünf Universitäten verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Über 40 nationale und internationale Akademien, Gesellschaften und Vereine trugen ihm eine Mitgliedschaft an. Darüberhinaus war Strasburger einer der Gründungsinitiatoren der DBG.
"Schlicht und einfach"
Trotz seiner Erfolge blieb er "schlicht, einfach und ohne jede Überhebung", wie sein Schüler und Freund G. Karsten das Wesen Strasburgers beschreibt.
Text und Copyright: Dr. Esther Schwarz-Weig
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[1] Finke, H. M., "Eduard Strasburger - eine biographische Skizze". In "100 Jahre Strasburgers Lehrbuch der Botanik für Hochschulen 1894-1994". Stuttgart, Gustav Fischer Verlag, 1994.
[2] Mägdefrau, K.: "Geschichte der Botanik. Leben und Leistung großer Forscher" (Stuttgart, Gustav Fischer Verlag, 2. Auflage, 1992).