Am 19. Februar 2024 verstarb der ehemalige Leiter des Instituts für Botanik der Leibniz Universität Hannover, Christoph Peterhänsel. Vorangegangen waren schwere Jahre einer Krankheit, die ihn zwangen, bereits im April 2017 in den vorzeitigen Ruhestand einzutreten.
Christoph Peterhänsel studierte an der RWTH Aachen und promovierte dort im Fachgebiet Phytopathologie. Anschließend wechselte er als Postdoc an das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg, um – wieder zurück in Aachen – eine eigene Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Molekulargenetik und Botanik von Professor Fritz Kreuzaler aufzubauen.
Ist die pflanzliche Photosynthese tatsächlich so unvollkommen?
Was den Biologen damals umtrieb, war eine (scheinbare?) Unvollkommenheit der pflanzlichen Photosynthese: die entscheidende Carboxylase, die atmosphärisches Kohlenstoffdioxid in den chloroplastidären Stoffwechsel und damit in die Biosphäre einführt, hat eine Oxygenase-Nebenaktivität. Die Entsorgung der toxischen Folgeprodukte dieser Oxygenase-Aktivität erfordert einen komplexen biochemischen Recycling-Stoffwechselweg, die sogenannte Photorespiration. Ist diese molekulare Konstellation wirklich unvermeidlich oder könnte man den pflanzlichen Stoffwechsel biotechnologisch so verändern, dass die Oxygenase-Reaktion nicht mehr zum Tragen kommt bzw. unterdrückt wird? Entsprechende Überlegungen wurden schon seit Jahrzehnten diskutiert.
Pionier der synthetischen Pflanzenbiologie
Dem Photosyntheseforscher gelang hier ein Durchbruch: Durch die Übertragung eines bakteriellen Stoffwechselweges auf die Modellpflanze Arabidopsis thaliana wurde es möglich, das Oxygenierungsprodukt innerhalb von Chloroplasten in nützliche Stoffwechselprodukte umzuwandeln und so die sehr energieaufwendige Photorespiration zu umgehen. Pflanzen mit diesem synthetischen Bypass wuchsen besser. Das Grundkonzept des photorespiratorischen Bypass wurde inzwischen international von zahlreichen Arbeitsgruppen aufgegriffen und weiterentwickelt. Christoph Peterhänsel hat hier zweifellos Pionierarbeit in der synthetischen Pflanzenbiologie geleistet und dadurch eine neue Forschungsrichtung mitbegründet.
Berufung an die Leibniz Universität Hannover
Die Originalarbeit zu diesem Thema wurde im Jahr 2007 von der renommierten Fachzeitschrift Nature Biotechnology publiziert. Nicht zuletzt durch diesen Erfolg, aber auch durch zahlreiche andere vielbeachtete Publikationen über die Regulation der Photosynthese einerseits und pflanzlichen Epigenetik andererseits, war Christoph Peterhänsel nun ein gefragter Vortragender, so auch in Berufungsverfahren. Bereits 2008 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Botanik der Leibniz Universität Hannover. Die Berufung erfolgte auf Empfehlung einer von ihm überzeugten Kommission, deren professorale Mitglieder ausschließlich von externen Standorten kamen.
Passionierter Hochschullehrer
Christoph Peterhänsel war ein enthusiastischer Naturwissenschaftler und Hochschullehrer. Seine klugen Vorlesungen behandelten nicht nur die Themen seines Fachgebietes, der Pflanzenphysiologie, sondern bezogen sich auch auf andere Fächer; so entwickelte er beispielsweise eine angesehene Grundvorlesung zum Thema Evolution, die bis heute weitergeführt wird und in ihren Grundzügen immer noch auf seiner analytisch präzisen und unvoreingenommenen Sichtweise basiert.
Wie Chromatinänderungen die Photosynthese steuern
In der Forschung war er in der standortübergreifenden DFG-Forschergruppe Photorespiration: Origin and Metabolic Integration in Interacting Compartments (Promics) aktiv und lokal in Hannover im DFG-Graduiertenkolleg Signaling at the Plant Soil Interface. Wissenschaftlich verfolgte er weiter das Ziel, durch Unterdrückung der Photorespiration Pflanzen mit verbesserten Ertragseigenschaften zu ermöglichen. Dazu übertrug er Erkenntnisse vom Modell Arabidopsis thaliana auf mehrere Nutzpflanzen. Ferner erforschte er den Einfluss von Umweltfaktoren auf die epigenetische Genregulation und konnte erstmals zeigen, dass molekulare Veränderungen des Chromatins in Form von Histonmodifikationen und DNA-Methylierungen zur Steuerung der Photosynthese beitragen.
Beiträge zur Erforschung pflanzlicher Mitochondrien
Christoph Peterhänsel war ein gefragter Kooperationspartner und interessierte sich auch für viele weitere Forschungsgebiete, so für die Biochemie pflanzlicher Mitochondrien, hier vor allem getragen von einer Zusammenarbeit mit der Abteilung Pflanzenproteomik an der Leibniz Universität Hannover. Mit Begeisterung nahm er im Jahre 2011 an der International Conference for Plant Mitochondrial Biology (ICPMB) teil, auf der er für die Verleihung von Preisen an Nachwuchswissenschaftler*innen zuständig war; die Deutsche Botanische Gesellschaft hat darüber berichtet.
Früher Abschied
Im Jahr 2014 offenbarten sich bei Christoph Peterhänsel die ersten Anzeichen motorischer Einschränkungen, und wenig später wurde bei ihm die als unheilbar eingestufte Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Bereits Ende 2015 war es ihm nicht mehr möglich, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen. Wenig später wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er im Kreise seiner Familie, stets umgeben von Freunden und Kolleginnen, die seine Weisheit und Freundschaft schätzten. Alle, die ihn kannten, waren von der Würde und Stärke, mit der er sein Schicksal trug, zutiefst beeindruckt.
Wir trauern um den Verlust eines außergewöhnlichen Menschen und Wissenschaftlers, der eine große Lücke in unserer Gemeinschaft hinterlässt. Unser tiefes Beileid gilt seiner Familie. Wir werden Christoph Peterhänsel als einen inspirierenden Kollegen, Mentor und Freund in ehrender Erinnerung behalten.
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Hans-Peter Braun, Pflanzengenetik, Leibniz Universität Hannover, Sascha Offermann, Botanik, Leibniz Universität Hannover, Jutta Papenbrock, Botanik, Leibniz Universität Hannover und Andreas Weber, Pflanzenbiochemie, Heinrich Heine Universität Düsseldorf