„Ich würde wieder eine Praktikantin betreuen“, fasst der Botaniker Eike Mayland-Quellhorst seine Erfahrungen als Mentor zusammen. Auch wenn nicht alles einfach war. Mayland-Quellhorst hat heuer eine junge Amerikanerin durch das Auf und Ab ihres dreimonatigen Forschungsaufenthaltes begleitet. Sie war Praktikantin in der Giessener Arbeitsgruppe Spezielle Botanik am Institut für Allgemein Botanik und Pflanzenphysiologie zu Gast.
Forschung ist auch Tüftelei
„Ich hatte auch ein wenig Glück“, ergänzt der Doktorand. Er ist froh, Erin Stempinski als Mentee bekommen zu haben. „Denn obwohl sie als undergraduate kaum praktische Erfahrungen mitbrachte, musste ich sie nur kurz einarbeiten und dann hat Erin vieles selbständig erledigt“, beschreibt der Gießener. Sie hat an seiner Doktorarbeit über die molekulare Vielfalt der Mikrosatelliten-DNA in der Bibernell-Rose, Rosa spinossima, mit gearbeitet. Die Studentin von der Stephen Austin State University aus dem texanischen Nacogdoches übte nicht nur den praktischen Umgang mit Agarose-Gelen und DNA-Proben, sondern auch den Sequenzierer zu bedienen, den sie bislang nur aus der Vorlesung kannte. „Nun verstehe ich auch die Molekularbiologie viel besser“, freut sich Stempinski. Sehr schwierig fand sie es dagegen, den Frust auszuhalten, der in ihr aufstieg, wenn sie einen Versuch wiederholen musste. Dass wissenschaftliche Forschung auch mit Tüftelei zu tun hat, hatte sie in ihrer kurzen Studienzeit noch nicht kennen gelernt.
Exzellente Kandidaten
Die geringe Erfahrung der Praktikanten ist jedoch gewollt. „Das hat den Vorteil“, erklärt der bisherige RISE-Programmchef Christian Schäfer vom DAAD, „dass wir die Studierenden bereits früh auf den Forschungsstandort aufmerksam machen, und sie noch die Gelegenheit haben, unser Land in ihre weitere Laufbahn einzuplanen“. Wie die jüngste Evaluation ergab, möchte etwa die Hälfte aller Praktikanten ihren Master oder ihre Doktorarbeit in Deutschland anfertigen, berichtet Schäfer, der das RISE-Programm vor fünf Jahren aufbaute und seitdem betreute. „Und die Deutschen haben die Chance, exzellente Kandidaten mit großem Potential in Ihre Institute zu holen“, ergänzt Schäfer, der seit Kurzem das DAAD-Referat für die Internationalisierung von Forschung und wissenschaftlichem Nachwuchs leitet.
Wer hat zwei linke oder zwei rechte Hände?
Um die Unerfahrenheit der Mitarbeiter auf Zeit auszugleichen, empfiehlt Mayland-Quellhorst sich die Bewerbungsunterlagen der Kandidatinnen und Kandidaten genau anzusehen. „Zwar steht dort nicht, ob jemand zwei linke oder zwei rechte Hände hat“, aber die Lust auf Laborarbeit und Wissenschaft könne man schon abschätzen, sagt Mayland-Quellhorst.
Wohin die Gäste kommen
Um die Bewerbungsunterlagen einzusehen, müssen die deutschen Wissenschaftler zunächst ihren Projektvorschlag im Intranet des DAAD ausschreiben. Darauf bewerben sich dann Studierende aus den USA, Kanada und Großbritannien. Anschließend bewerten die deutschen Doktoranden, die einen Praktikanten betreuen möchten, die Bewerbungen, geben an, wen sie sich als Praktikanten wünschen. Der DAAD vergibt daraufhin die Stipendien in der Reihenfolge, die sich aus den gegenseitigen Beurteilungen ergeben. Die DBG nutzt also die Erfahrung des DAAD bei der Stipendiatenauswahl. Sie beeinflusst jedoch nicht, welches Institut einen Gast bekommt.
Das Leben „drum herum“ ist wichtig
Die besten Chancen, einen Kandidaten ins Labor zu holen, haben jedoch diejenigen, die nicht nur ihr Projekt spannend darstellen, sondern jene, die auch die Universität und die Umgebung beschreiben. „Also das soziale Leben drum herum“, erklärt Schäfer. Auf solche Ausschreibungen bewerben sich besonders viele potentielle Praktikanten, was zu einem vorderen Platz auf der DAAD-Rangliste führt.
Pflanzenforschung hat viel zu bieten
Von den 364 Praktikanten, die dieses Jahr deutschen Doktoranden der Naturwissenschaft und Technik assistierten, arbeiteten sechs in botanischen Laboren: vier angehende Botaniker, ein Ökologe und ein Studierender der Agrarwissenschaften. Wie Schäfer sagt, kämen viele Kandidaten mit dem Wunsch „was molekulares, oder was mit Genetik oder Biochemie zu machen“. Und wenn sie in den ausgeschriebenen Projekten stöbern, sehen sie, „dass die Botanik in dieser Beziehung ganz schön viel zu bieten hat“.
„Dies war die beste Erfahrung meines Lebens und ich würde es sofort wieder machen“, sagt Mentee Stempinski, auch wenn sie sich erst daran gewöhnen musste, in Deutschland sonntags nicht einkaufen zu können. Außer den fachlichen Fertigkeiten brachte ihr der Sprung über den Ozean auch einen veränderten Blick auf ihre Heimat. Ihr gefiel es besonders gut, jeden Tag etwas Neues zu lernen.
Langanhaltender Profit
Dass die Erfahrungsfülle die Stipendiaten anfangs ziemlich erschlägt, beobachtete Professor Volker Wissemann, an dessen Lehrstuhl zwei Mentor-Mentee-Tandems arbeiteten. Für die Gäste sei ja alles neu: die Kultur und das Niveau der Arbeit, die molekularbiologischen Methoden und nicht zuletzt die Sprache. Obwohl die meisten Gespräche doch in Englisch stattfänden, räumt Wissemann ein. Davon profitiere seine Arbeitsgruppe noch heute, denn seit die amerikanischen Gäste bei ihm waren, ist die Sprache seiner Seminare nun immer häufiger Englisch.
"Ich habe gelernt"
„Aber auch die Doktoranden waren anfangs erschöpft“, berichtet Wissemann. Nicht nur von der ständigen Suche nach Englischen Vokabeln. Das ging seinen beiden Doktoranden so, die diesen Sommer Praktikantinnen betreut hatten. Eine fremde Person in ein Thema einzuarbeiten und ihr neue Techniken zu lehren, sei sehr anstrengend, berichtet Alexandra Kellner, die zweite Botanikerin, die ebenfalls als Mentorin fungierte. „Ich habe gelernt, geduldiger zu sein“, resümiert Kellner.
Schwachstellen beseitigt
„Da es aber allen Beteiligten große Freude machte“, wird Wissemann seinen Doktoranden empfehlen, sich nächstes Jahr wieder um Praktikanten zu bewerben. Denn auch wenn der Mentoren-Job anstrengend ist, er lohnt sich. „Es ist gut einem Außenstehenden die eigene Arbeit zu erklären. Das hilft, die Schwachstellen zu erkennen und zu beseitigen“, ergänzt Mayland-Quellhorst.
Text: Esther Schwarz-Weig, im November 2009