Actualia · Tagungsbericht

2. Eduard Strasburger-Workshop thematisiert Phylogenomics

Gut gelaunt und diskussionsfreudig waren Studierende, Promovierende, Postdoktoranden/-innen und Professoren/-innen aus dem europäischen In- und Ausland vor dem Botanischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München zusammen gekommen. Foto: Prof. Jens Rohwer, Universität Hamburg

Vom 9. bis zum 11. September 2016 tauschten sich mehr als 50 wissenschaftliche Nachwuchskräfte und etablierte Forschende über die Anwendung von Hochdurchsatztechnologien in der pflanzlichen Systematik- und Evolutionsforschung aus. Die Teilnehmenden am Workshop der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) waren nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus der Schweiz, Großbritannien, dem Iran und sogar Neuseeland angereist. Die Workshop-Nachlese der Organisatorinnen Susann Wicke und Dörte Harpke schildert nicht nur die Tagungsschwerpunkte sondern thematisiert auch die Sorgen der Nachwuchskräfte.

Der Workshop mit dem Titel Phylogenomics - The next generation of evolutionary botany fand im Anschluss an das 23. Symposium Biodiversity and Evolutionary Biology der gleichnamigen Sektion der DBG am Institut für Systematische Botanik und Mykologie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität statt. Er eröffnete mit einem gegenseitigen Kennenlernen in entspannter Atmosphäre, wozu die Organisatorinnen, Dr. Susann Wicke (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Dr. Dörte Harpke (Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Zuchtpflanzenforschung Gatersleben) sowie die Schirmherrin des Workshops, Professor Susanne Renner, in den Münchner Hirschgarten einluden. Am Samstag und Sonntag verdeutlichten Vorträge der eingeladenen Sprecherinnen und Sprecher interpoliert mit Vorträgen der Workshop-Teilnehmenden die Vielfältigkeit der Anwendung von „Next Generation Sequencing“ (NGS), zeigten aber auch die Probleme und Herausforderungen, die NGS-Analysen bergen.

Phylogenomics: Entwicklungen und Ressourcen

Die erste Gruppe von Vorträgen drehte sich um das Thema „Aktuelle Entwicklungen und Ressourcen“. Dr. Bruno Hüttel (Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln) gab einen Überblick über die vielfältigen NGS-Technologien und -Anwendungen. Danach verdeutlichte  Dr. Martin Mascher (IPK, Gatersleben) in seinem Vortrag über die de novo Genomassemblierung, was man bei der Prozessierung von NGS Daten beachten sollte. Dr. Hernán Burbano (Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen) führte aus, wie Hochdurchsatzsequenzierung die Analyse von historischen Pflanzenproben aus bis zu 300 Jahre altem Herbarmaterial ermöglicht und Einblicke in die Epidemiologie von Pflanzenschädlingen liefert. Workshop-Teilnehmer berichteten über ein Verbundprojekt, bei dem Forschende aus Bonn, Köln, Münster und Gatersleben die Etablierung eines auf PacBio-Sequenzierung basierenden Standardverfahren zum DNA-Barcoding und Meta-Barcoding von Pflanzen- bzw. Umweltproben anvisieren.

Evolution und Genomik

Nach gemeinsamen Mittagessen bei Sonnenschein im Grünen kreiste die zweite Vortrags-Runde um evolutionsgenomische Ansätze in Pflanzen. Dr. Claude dePamphilis (Penn State University, USA) sprach über die Stärken (und Schwächen) von Transkriptom-Daten zur Aufklärung der verwandtschaftlichen Verhältnisse in Landpflanzen sowie der Verwendung großer Mengen von RNA-Sequenzierergebnissen zur Rekonstruktion der funktionellen und genetischen Veränderungen im makroevolutionären Kontext am Beispiel parasitisch-lebender Blütenpflanzen. Im Anschluss gab Dr. Frank Blattner (IPK, Gatersleben) einen Überblick über die methodische Vielfalt für innerartliche und zwischenartliche phylogenetische und taxonomische Untersuchungen und stellte die Vor- und Nachteile der jeweiligen Anwendungsmöglichkeiten gegenüber. Vorträge von Promovierenden und Studierenden folgten, durch welche sich ein deutlicher Arbeits- und Anwendungsschwerpunkt von NGS-Technologien in populationsgenetischen Studien herauskristallisierte. Ausgiebige Möglichkeiten zur Vernetzung innerhalb der Gruppe der Nachwuchskräfte wie auch mit Forschungsgruppenleiter/innen und eingeladenen Redner/innen bestand in den langen Kaffeepausen zwischen den verschiedenen Sitzungen am zweiten Workshop-Tag. Die Gespräche sowie der Austausch von Projektideen wurden am Abend bei einem spontanen Besuch aller Teilnehmenden im Münchner Augustiner-Keller weitergeführt.

Funktionelle Genomik und molekulare Evolution

Schwerpunkt des zweiten Tages des Workshops war die funktionelle Genomik und molekulare Evolution von Pflanzen. Dr. Juliette de Meaux (Universität Köln) zeigte zunächst wie man die molekularen Vorgänge der polygenen Adaptationen in stress-sensitiven Genregulatoren mittels experimentellen Kreuzungen, RNA- und Genom-Resequenzierung sowie statistischer Modellierung ableiten kann. Dr. Aleš Kovařík (Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Brno) stellte Untersuchungen zur Genomarchitektur von Nacktsamern vor in denen eine Kombination von cytogenetischen, epigenetischen und genomischen Analysen zum Einsatz kam. Bei den Teilnehmervorträgen dieses Themenbereichs zeichnete sich eine Fokussierung auf karnivore und parasitische Pflanzen ab, deren genomischen Besonderheiten und genetischen Anpassungen an ihre außergewöhnlichen Lebensweisen durch Verwendung von Hochdurchsatztechnologien zugänglich werden.

Finanzierungsorgen des wissenschaftlichen Nachwuchses

Die Resonanz während des 2. Eduard Strasburger-Workshops war positiv und verdeutlichte die Relevanz und das Potential der Phylogenomik und der verschiedenen NGS-Anwendungen in der evolutionären Pflanzenwissenschaft. Insbesondere bioinformatische Verfahrensweisen für die Analyse großer NGS Datensätze standen im Vordergrund des Austauschs zwischen den Workshop-Teilnehmenden. Als besonders kritischer Punkt in den Gesprächen erwies sich immer wieder die Finanzierung von Forschungsvorhaben, die vermehrt und in großem Umfang NGS-Technologien einbinden. Insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs, der über keine eigenen Forschungsmittel oder ausreichende Publikationsleistung mit NGS-Hintergrund verfügt, sieht sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, Zu- oder Vorschüsse für Voruntersuchungen aufzubringen, die im Rahmen eines Antrags um eigene Forschungsmittel und für den Aufbau eines eigenen wissenschaftlichen Profils unerlässlich sind. Trotz dieser zumeist finanziellen Sorgen zur Realisierung NGS-lastiger Forschungsvorhaben haben sich die Phylogenomik und Horchdurchsatzmethoden bereits als feste Größen in der Systematik und Evolution der Pflanzen etabliert. Ein regelmäßiger Austausch zu den neusten Entwicklungen und ein starkes Netzwerk von Nachwuchs- und verstetigten Wissenschaftlern/-innen wird der Standardisierung und Etablierung von sogenannten best-practice Methoden zuträglich sein und die Sichtbarkeit der deutschen botanischen Forschung zur Evolution der Pflanzen weiterhin erhöhen.

Dank der Förderung der Deutschen Botanischen Gesellschaft konnten nicht nur die Anreise- und Unterbringungskosten für die geladenen Sprecher/innen gedeckt sondern auch vier Nachwuchskräften ein Reisekostenzuschuss gewährt werden.

Münster und Gatersleben, im Oktober 2016

Zurück