Der Vorsitzende des Deutschen Fachausschusses Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA) Moritz Graf vom Hagen-Plettenberg eröffnete am Montagabend die 8. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzenforschung im Hauptgebäude der Bonner Universität. Diese feiert 2018 ihr 200 jähriges Bestehen und die Ausrichtung der Tagung wurde in diesem Jahr hauptverantwortlich durch das Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) mit dem Fachbereiche Nachwachsende Rohstoffe/Arzneipflanzen unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Pude realisiert. Ebenfalls waren der Fachbereich Agrarökologie und Organischer Landbau, sowie die Botanischen Gärten der Universität gemeinsam mit dem DFA Gastgeber der viertägigen Veranstaltung.
Züchtung, Maschinen und Techniken
Dr. Hans-Jürgen Hannig, Vestenbergsgreuth, gab mit seinem Eröffnungsvortrag Einblick in die Geschichte der Arzneipflanzenforschung der letzten vier Jahrzehnte. Insbesondere in Ostdeutschland waren schon früh auf Arzneipflanzenanbau spezialisierte Betriebe etabliert, die das aus der Industrie und den Universitäten erworbene Wissen aufs Feld brachten und auch züchterisch große Fortschritte erzielten. Ein wichtiger Meilenstein, um unter anderem diese Züchtungsarbeit festzuhalten, war dann das gesamtdeutsche Sortenrecht, das ab 1992 auch Arznei- und Gewürzpflanzen mit einschloss. Die weitere Bearbeitung und Inkulturnahme erforderte auch eine maschinelle Weiterentwicklung, die Spezialmaschinen, und ein großes Repertoire an individuellen Eigenkonstruktionen hervorbrachte. Neben der Technik stellen Pflanzenschutz sowie Trocknung und Nacherntebehandlung immer wieder komplexe Herausforderungen dar, die durch gezielte Projekte intensiv beforscht werden müssen, um zukunftsfähigen und nachhaltigen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau in Deutschland zu betreiben.
Im Mittelpunkt des Abends standen anschließend die Fotografien von Matthias Plath, dessen Fotoausstellung „Essenz der Blüte“ mit farbintensiven Detailaufnahmen im Eingangsbereich der Aula ein stimmungsvolles Ambiente für anregende Gespräche bot.
Bioökonomie, Bestäuber und Biodiversität
Am Dienstag standen nach einem Grußwort von Dr. Hans-Jürgen Froese vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Sektionen „Bioökonomie und Innovationen“ und „Biodiversität“ auf der Agenda. Froese stellte die Ziele des Bundesministeriums im Hinblick auf die Implementierung nachhaltiger, wirtschaftlicher Strategien im Sinne der nationalen Politikstrategie Bioökonomie heraus. Dies betrifft unter anderem die Forschung zur ressourcenschonenden Nutzung von Lebens- und Futtermitteln aber auch Bioenergie und Pharmazeutika und wird beispielsweise durch das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe vom BMEL unterstützt. Auch Projekte im Arznei- und Gewürzpflanzenbereich oder zum Thema Insektenschutz werden somit gefördert. Ein erstes Projekt zum Thema Bestäubungsmanagement im Arzneipflanzenbau wird aktuell an der Universität Bonn bearbeitet. Ziel des Projektes ist es, Bestäuber von Kulturen wie Lein, Bohnenkraut oder Fenchel zu identifizieren und durch ein gezieltes Management und Förderung dieser Arten neben der Biodiversität auch die Ertragsleistung zu erhöhen (https://www.fnr.de/projektfoerderung/projekte-und-ergebnisse/ausgewaehlte-projekte).
Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefanie Bröring, Universität Bonn, wurde im Folgenden in vier Fachvorträgen auf die ökonomischen Herausforderungen im Arzneipflanzenbau eingegangen. Insbesondere die Fragen, wie zukünftig sowohl wirtschaftlich als auch nachhaltig produziert werden kann, indem neue Produktionskonzepte entwickelt und komplexe Biotechnologien in Produktionsprozesse eingeführt werden, wurden lebhaft diskutiert.
Arzneipflanzen und Artenrückgang
Prof. Dr. Maximilian Weigend, Universität Bonn, rückte im zweiten Teil des Vormittags die Biodiversität in den Vordergrund. Auch Arzneipflanzen sind vom Artenrückgang betroffen und in komplexe Ökosysteme eingebunden, deren Erhaltung gefährdet ist. Die Vorträge gaben dabei unter anderem einen Überblick über Artenzahlen, Gefährdungsstatus und gesetzliche Regelungen und wie unter anderem über DNA-Analysen Pflanzengattungen und Bestäuber-Arten für eine gezielte Förderung identifiziert werden können. Auch Universitätsrektor Prof. Dr. Dr. hc. Michael Hoch unterstrich mit seinem Grußwort die Bedeutung der Forschung im Arznei- und Gewürzpflanzenbereich vor dem Kontext komplexer Herausforderungen in Landwirtschaft und Ernährung.
Prämierte Poster
Parallel zu den Vorträgen und Workshops fand eine Poster-Ausstellung statt, in der 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeiten präsentierten. Das Siegerposter von Quentin Schorpp, Katja Sommerfeld, Ute Gärber und Martin Hommes vom Julius Kühn-Institut (JKI) thematisierte „Microplantus rugulosus (Coleoptera, Curculionidae) im Kamilleanbau“. Zweitplatzierte wurden Veronika Ungerer, Manuel Pramsohler, Nadia Ueberegger und J. Winkler mit ihrer Arbeit zum Thema „Schafwollmatten als mögliche Alternative zur Unkrautfolie im Südtiroler Kräuteranbau“. Den dritten Preis erhielt das Poster „Codierung der Entwicklungsstadien von Sommermohn (Papaver somniferum L.) in Anlehnung an die BBCH Skala“ von Richard Simon, Hanna Blum, Katharina Luhmer und Ralf Pude.
Tierwohl und Tiergesundheit
Die dritte Session des Tages stand unter dem Motto „Tierwohl“. Dr. Frank Marthe, (JKI) führte durch die Vorträge, die die Zusammenhänge von (Tier)ernährung und Tierwohl beleuchteten. Heil- und Gewürzpflanzen entfalten positive gesundheitliche Wirkungen auch in der Tierhaltung, unter anderem durch ihre Wirkung auf das Mikrobiom, und können eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen tierärztlichen Bestandesbetreuung darstellen.
Rheinschifffahrt
Den Abschluss bildete an diesem Tag die Große Abendveranstaltung der Professur für Agrarökologie und Organischen Landbau. Bei einer 3,5 stündigen Rheinschifffahrt tauschten sich die Teilnehmenden bei gutem Essen und musikalischer Begleitung weiter aus und der Abend klang vor der Kulisse des Siebengebirges aus. Besonders für die vielen Nachwuchsforschenden aus In- und Ausland unter den circa 300 Teilnehmenden, bot dieser Abend eine willkommene Gelegenheit zum Austausch.
Qualitätsmanagement
Der Mittwoch stand unter der Leitung von Prof. Dr. Michaela Schmitz, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, zunächst im Zeichen von „Qualitätsmanagement und Pflanzenanalytik“. Dabei standen mögliche Kontaminationspfade in Kräuter und Gewürze sowie die Inhaltsstoffe verschiedener Pflanzen im Vordergrund, unter anderem die Untersuchung von ätherischem Öl in Sommerbohnenkraut, Tetrahydroxyxanthonen in Hypericum-Samen und Polyphenolen in Cistus-Arten.
Qualitätssicherung
In verschiedenen parallelen Workshops konnte dann in Kleingruppen intensiv diskutiert werden. Ein Workshop-Thema war der Einfluss des Anbaus von Arznei- und Gewürzpflanzen auf Erhalt und Förderung der Biodiversität in Agrarökosystemen. Dass die Qualität von Nahrungsergänzungsmitteln auf pflanzlicher Basis häufig gefährdet ist, war Diskussionsgegenstand des zweiten Workshops. Durch Fälschungen, Verwendung falscher Pflanzenteile oder mangelnde Qualitätsstandards stellen manche „Botanicals“ statt einer gesundheitsfördernder Wirkung oftmals ein Gesundheitsrisiko dar. Die Herausforderungen liegen hier vor allem in einer sicheren Qualitäts- und Authentizitätsbestimmung und der Analytik von Wirkstoffen. Angesichts des hohen weltweiten Bedarfs nach qualitativ hochwertiger Rohware, widmete sich ein dritter Workshop der Etablierung und Optimierung des Arzneipflanzenanbaus in strukturschwachen Ländern. Der erste Teil dieses Workshops beschäftigte sich mit der Herausforderung, das in der Forschung erlangte Wissen in die Praxis zu übertragen. Gesetzliche Regelungen aber auch die Restriktionen durch geringe Wirkstoffkonzentrationen und langsamen Züchtungsfortschritt hemmen die Produktion qualitativ hochwertiger und ertragreicher Ware. Wie durch gezielte Schulungen und der Erarbeitung eines Anbauhandbuchs der Arzneipflanzenanbau in Osteuropa verbessert werden kann, wurde in der Fortführung des Workshops am Nachmittag am Beispiel des „remap projects“ in Rumänien erläutert und diskutiert.
Kulturen und Wildsammlungen
Am Nachmittag moderierte Dr. Frank Marthe, JKI, eine Sektion zum Thema „Wildsammlung, Inkulturnahme, Züchtung“. Neben einem durch Zahlen hinterlegten Überblick über die gewerbliche Wildsammlung in Deutschland beschäftigten sich die Vortragenden mit Variabilität und Drogenqualität von Wermut, Züchtungsmethoden für Kamille und der Bedeutung einer hinreichenden Charakterisierung von Pflanzenextrakten für die Inkulturnahme und den kontrollierten Anbau zuvor wildgesammelter Pflanzen. In einer weiteren Workshop Session wurde anschließend an Themen des Vormittags angeknüpft. Außerdem gab es zum Punkt „Natürliche Aromen aus pflanzlichen Rohstoffen“ neben einem theoretischen Einstieg in die Identifizierung und Gewinnung von pflanzlichen Aromen auch die Möglichkeit verschiedene Muster mit allen Sinnen zu verkosten. Anschließend fand mit einem leckeren Imbiss und Führungen durch den Botanischen Garten der Universität Bonn der Tag seinen Abschluss. Von besonderem Interesse war hier die bis Oktober laufende Ausstellung zum Thema „Die Grüne Apotheke – Vom Hortus Medicus zur Pharmaforschung“, die verschiedenste Arzneipflanzen porträtiert und ihre medizinischen Nutzungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt stellt.
Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen
Weitere Workshops fanden am Donnerstagmorgen statt. Ausgetauscht wurde sich zum einen über Züchtungsperspektiven im Kamilleanbau. Diskutiert wurden die Möglichkeiten von aktueller Forschung und Züchtung anderer Kulturpflanzen, beispielweise Marker gestützter Selektion, zu profitieren und diese bei Kamille einzusetzen. Zudem gaben aktuelle Anbauprobleme Anlass zum Austausch über künftige Strategien und Entwicklungspotentiale der Pflanze. Zum anderen gab es in einem weiteren Workshop Austausch zur aktuellen Forschungsarbeit zu Arzneipflanzen in Polen. So werden in Polen Arzneipflanzen auf etwa 10.000 ha Anbaufläche kultiviert, wovon ein Großteil (70 %) ins restliche Europa exportiert wird. Auch werden etwa 100 Pflanzenarten wild gesammelt. Verschiedene Universitäten und Institute forschen an Arznei- und Gewürzpflanzen unter anderem zu Pflanzenextrakten und ihrer Wirkung auf Zellprozesse. Im Fokus steht dabei die medizinische Anwendbarkeit, weshalb Kräuter und Extrakte in Polen für eine Vielzahl pflanzlicher Arzneimittel verwendet werden. Weitere Workshop-Themen waren Wildsammlung und Artenschutz sowie die Analyse von Wertschöpfungsketten im Arznei- und Gewürzpflanzensektor. Wildsammlung stellt eine traditionelle aber immer noch aktuelle Form der Rohstoffbeschaffung für Heil- und Gewürzpflanzen und die Kosmetikindustrie dar. Der Workshop beschäftigte sich mit rechtlichen Rahmenbedingungen und der aktuellen Sammelsituation in Polen und Deutschland. Kritisch beleuchtet wurde auch die Frage nach der Zukunft der Wildsammlung angesichts der steigenden Qualitätsanforderungen, beispielweise im Hinblick auf die unerwünschte Kontamination mit Pyrrolizidinalkaloiden. Wertschöpfungsketten im Arznei- und Gewürzpflanzenbereich standen des Weiteren auf der Workshop-Agenda. Eine genaue Kenntnis der Prozesse und eine intensive Abstimmung zwischen allen Akteuren von der Aussaat bis zum fertigen Produkt sind für eine erfolgreiche Wertschöpfung notwendig. Im Workshop standen daher Modelle zur Diskussion, die Wertschöpfungsketten analysieren und mit deren Hilfe Innovationspotentiale auf allen Prozessstufen erkannt und gefördert werden können. Um Anbau-, Ernte und Nachernte ging es in der anschließend von Prof. Dr. Ralf Pude, Universität Bonn, gestalteten Vortragsreihe. Bei den pflanzenbaulichen Versuchen zu Minze, Speisemohn, Johanniskraut und Kamille standen Ertrag und Krankheitsdruck in den verschiedenen Kulturen im Vordergrund. Aber auch die potentielle Gefahr durch Pyrrolyzidinalkaloide in Senecio vulgaris wurde abschließend diskutiert.
Dr. Heidi Heuberger, Bayrische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), und Moritz Graf vom Hagen-Plettenberg bedankten sich schließlich für die rege Teilnahme, die interessanten Diskussionen und die reibungslose Organisation der Tagungswoche und entließen die Teilnehmenden zu den Exkursionen, die für den Nachmittag geplant waren. Mit einer Reise zu sechs verschiedenen Exkursionszielen im Rheinland ging die Tagung am späten Nachmittag erfolgreich zu Ende.
Die im Rahmen der Tagung vorgestellten Beiträge können im Tagungsband nachgelesen werden. Dieser ist gegen einen Unkostenbeitrag von 10 Euro solange der Vorrat reicht im Tagungsbüro bestellt werden. Ein besonderer Dank gilt auch den zahlreichen Sponsoren mit deren Hilfe ein umfangreiches wissenschaftliches und gesellschaftliches Programm realisiert werden konnte. Dies waren in alphabetischer Reihenfolge: Bionorica, Deutsche Botanische Gesellschaft (DBG), Flavex® Naturextrakte, Justus-Liebig-Universität Gießen – Professur für Pflanzenbau, Martin Bauer Group, Obsthof Rönn, Pharmaplant, Pharmasaat, Sandfort, TeeGschwendner.
Tagungsbüro: Campus Klein-Altendorf 2, 53359 Rheinbach-Wormersdorf. Tel.: +49 (0)2225/9996311
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Im November
Katharina Luhmer, Universität Bonn, INRES Nachwachsende Rohstoffe und Arzneipflanzen https://www.nawaro.uni-bonn.de/