Holistische Systematik
Ehrendorfer ist überzeugt, biologische Zusammenhänge nur dann ausreichend durchdringen zu können, wenn mehrere Disziplinen zusammenwirken. Dieses holistische Verständnis zieht sich durch seine gesamte Forschung. Es ist eines seiner wesentlichen Verdienste, den Dialog zwischen der Systematik, der Morphologie, der Physiologie, der Molekularbiologie, der Ökologie und der Paläobotanik gefördert zu haben.
Diverse Disziplinen
Das Zusammenwirken mehrerer Fächer setzte Ehrendorfer auch am Institut für Botanik an der Universität Wien um, das er mehr als 20 Jahre lang leitete: Auch hier ermöglichte er das Miteinander diverser Disziplinen.
Aufnehmen, verarbeiten und zur Synthese integrieren
Der Botaniker studierte von 19945 bis 19949 an der Universität Wien, promovierte bereits mit 22 Jahren und erhielt im Alter von nur 28 Jahren die Venia docendi. Nach einem Fullbright-Stipendium in Kalifornien etablierte er die synthetische Pflanzensystematik in Europa, wobei er die Cytogenetik, Evolutionsforschung und die Phylogenie interdisziplinär verband. Seine herausragende Fähigkeit, Details rasch aufzunehmen, sie augenblicklich zu verarbeiten und sie dann in eine Synthese zu integrieren, half ihm sicher oft dabei.
1965 erhielt Ehrendorfer einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität nach Graz, um dann 1970 an die Universität Wien als Leiter des Botanischen Instituts berufen zu werden.
Systematik einzelner Gefäßpflanzen
Sein besonderes Interesse galt dem Zusammenspiel von Sippenmannigfaltigkeit, spezifischern Lebensräumen der Sippen und deren raum-zeitlichen sowie phylogenetischen Entwicklungen. Dies untersuchte er am liebsten an Labkraut (Gallium), Schafgarbe (Achillea), Witwenblume (Knautia), Wermut (Artemisia), Eiche (Quercus) Annemonen und Wiesengräsern (Festuca).
Alte und moderne Methoden
Dabei nutzte er stets die aktuellsten Methoden: Früher analysierte er die verwandtschaftlichen Beziehungen der Labkräuter mit der damals modernen Karyologie und jüngst die Schafgarbensystematik mit molekularbiologischen Methoden.
Die Molekularbiologie ist für Ehrendorfer aber nicht alleiniger Schlüssel zur Pflanzensystematik, denn wie er betont, "was bringt es, allein die Verwandtschaftsverhältnisse des Habsburger Herrscherhauses zu klären, wenn man die Rolle der Personen in der Geschichte unbleuchtet lässt".
Autor Ehrendorfer
Ehrendorfer schrieb zahlreiche wissenschaftliche Artikel, die "Liste der Gefäßpflanzen Mitteleuropas" sowie die Kapitel Systematik, Geobotanik, Paläobotanik und Evolution im Standartwerk für Botaniker, "dem Strasburger" oder genauer "Lehrbuch der Botanik für Hochschulen" [1]. 2007 soll sein jüngstes Buch erscheinen: "Ökosystem Stadt. Die Naturgeschichte Wiens".
"Geduld mit dem stets arbeitenden Vater"
1995 emeritierte Ehrendorfer als Ordinarius der Universität Wien und als Direktor des Botanischen Gartens (1970-1995). Doch danach setzte er sich nicht etwa zur Ruhe, sondern nahm sich weiterhin viel Zeit für die Forschung. Seine Frau, Luise Schratt-Ehrendorfer, berichtet, seine Familie müsse schon viel Geduld mit dem ständig arbeitenden Vater aufbringen. Doch sei Ehrendorfer selbst so tolerant, dass er seinen Sohn nicht rüge, wenn er mal eine Buche nicht als eine Buche erkenne.
Angetragene Aufgaben
Mitglied der KIÖS: Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Vorsitzender des UNESCO-"Man and Biosphere"-Programmes
Mitglied des IGBP: International Geosphere-Biosphere Programme of the Royal Swedish Academy of Sciences
Ehrenmitgliedschaften und Auszeichnungen
Ehrendorfer ist (Ehren-)mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften:
- Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
- Foreign Honorary Member der American Academy of Arts and Sciences, Cambridge, Mass.
- seit 1997 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle
- Mitglied der Academia Europaea
- Ausländisches Mitglied der Georgischen Akademie der Wissenschaften, Bulgar
- seit 1997 Mitglied der Academia Nacional de Ciencias de Córdoba, Argentinien
- seit 2004 Ehrenmitglied der Gesellschaft für Biologische Systematik (GfBS)
- Sein Lebenswerk wurde mit dem Preis der Stadt Wien gewürdigt
2007; Text und Copyright: Dr. Esther Schwarz-Weig, Redaktionsbüro WissensWorte
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Quellen:
Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien, KIÖS
UNESCO-"Man and Biosphere"-Programm
International Geosphere-Biosphere Programme, IGBP
Östereichische Akademie der Wissenschaften ÖAW
American Academy of Arts and Sciences
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
Georgische Akademie der Wissenschaften
Academia Nacional de Ciencias de Córdoba
Gesellschaft für Biologische Systematik GfBS