Leben und Werk Wilhelm Pfeffers (1845-1920)
"Rastlos und unablässig über pflanzenphysiologische Probleme nachgedacht"
Auch früher strebten viele Forscher eine Professur an. Damals reichte es oft schon aus, ein Schüler Wilhelm Pfeffers zu sein, um berufen zu werden[1]. Doch was zeichnete den Botaniker Wilhem Pfeffer aus?
Viele Fächer
Während Pfeffer eine Lehre in der Apotheke des Vaters absolvierte, mikroskopierte er bereits Pflanzenzellen und legte umfangreiche Objekt-Sammlungen an. Nach der Gehilfenprüfung studierte er Chemie und Physik an der Universität Göttingen, dazu Geologie, Paläontologie und Mineralogie.
Mit 20 promoviert
Nach nur vier Semestern Studium verfaßte er seine Dissertation über Derivate des Glyzerins im Alter von 20 Jahren. In der darauffolgenden Zeit als Apothekergehilfe in Chur (Schweiz) systematisierte er Laubmoose und schrieb eine "Bryogeographie der rhätischen Alpen". In Marburg legte Pfeffer die pharmazeutische Staatsprüfung ab und untersuchte nebenbei die Blütenbildung der Primulaceen.
Über Blüten zur Photosystese
Mit Experimenten zum Öffnen und Schliessen der Blüten habilitierte sich Pfeffer 1871. Am Würzburger Institut bei Julius Sachs legte er seinen Forschungsschwerpunkt endgültig auf die Pflanzenphysiologie: Er analysierte das Wirkungsspektrum der Photosynthese.
Ruf nach Leipzig
Nur zwei Jahre nach der Habilitation wurde er auf ein Extraordinariat für Pharmakognosie und Botanik nach Bonn berufen, 1877 als Ordinarius nach Basel und ein Jahr später nach Tübingen. Schon dort umgaben ihn zahlreiche Schüler, wovon auch sein vielzitiertes Werk "Untersuchungen aus dem Botanischen Institut Tübingen" zeugt. 1887 folgte er einem Ruf nach Leipzig, wo er bis zu seinem Tode arbeitete.
Pfeffer will sich "nicht blamieren" und reizt Mimosen
Pfeffer war stets kühl und vorsichtig, stets darauf bedacht, sich keine Blösse zu geben und sich nicht "zu blamieren", wie er selbst sagte. In der Forschung beschritt er jedoch neue Wege: Indem er Mimosenblätter reizte, entdeckte er deren "hohe hydrostatische Druckkraft". Die physikalischen Ursachen beschrieb er in den berühmten "Osmotischen Untersuchungen" (1877).
"Pfeffer'sche Zelle"
Die Ergebnisse seiner Analysen zur Chemotaxis der Spermatozoiden, Flagellaten und Bakterien sind in alle Lehrbücher eingegangen und die "Pfeffer'sche Zelle" ist auch heute noch ein Begriff für jeden Biologen. Ihn interessierte darüberhinaus die Physik des Protoplasten, die Schlafbewegungen der Blätter sowie die thermo- und photonastischen Blütenbewegungen.
Begründer der neuen Pflanzenphysiologie
Durch Pfeffers zweibändiges "Lehrbuch der Pflanzenphysiologie", das auch ins Englische und Französische übersetzt wurde, stieg er zum internationalen Lehrer der Botanik auf. Neben Julius Sachs wird er zum Begründer einer neuen Pflanzenphysiologie.
"in der Einseitigkeit ermöglichten Tiefe"
"Pfeffers Meisterschaft zeigte sich schon in der weisen Beschränkung, die er sich bewusst auferlegte, ..., und in der schon durch solche Einseitigkeit ermöglichten Tiefe", schreibt Hans Fittig, Pfeffers Chemieprofessor. "Indem er rastlos und unablässig bloss über pflanzenphysiologische Probleme nachdachte, war er ... imstande, sie in ihrer ganzen Breite zu erfassen und in ihrer Tiefe zu ergründen."
Erfolgreiche Schüler aus dem "Mekka der Pflanzenphysiologie"
Pfeffer forschte und so wurde das Leipziger Institut zu einem "Mekka der Pflanzenphysiologie", schreibt Mägdefrau[1]. Viele Botaniker kamen nach ihrer Doktorarbeit zu ihm. Eine Festschrift zu seinem 70. Geburtstag listet 260 seiner Schüler auf, die aus allen Teilen der Erde stammten. Etwa 100 davon arbeiteten später selbst als Hochschullehrer.
Text und Copyright: Dr. Esther Schwarz-Weig
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[1] Mägdefrau, K.: "Geschichte der Botanik. Leben und Leistung großer Forscher" (Stuttgart, Gustav Fischer Verlag, 2. Auflage, 1992).