Insgesamt waren 15 Vorträge zu den verschiedensten Themen angemeldet, sodass wieder ein umfassendes Bild aktueller Forschung in der molekularen Pflanzenphysiologie der vier beteiligten Universitäten entstand. Wir haben uns erneut für das zweitägige Format entschieden und beobachteten auch am Abend viele fachlichen Diskussionen. Alle beurteilten das Treffen als sehr gelungen. Die angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übernahmen eloquent die Rolle der Chairs, und leiteten gekonnt die Diskussionen nach den Vorträgen. Letztere waren stets lebhaft und wurden in den Pausen vertieft. Die hohe Qualität der englischsprachigen Präsentationen überspannte viele verschiedene Themengebiete: Pflanzen-Mikroben-Interaktionen, Sekundärmetabolismus, Signalwege, Entwicklung, Organellen und Photosynthese sowie pflanzliche Biotechnologie, die im Folgenden nicht chronologisch, sondern thematisch zusammengefasst werden.
Pflanze-Mikroben Interaktion
Auch wenn die Interaktionen zwischen Pflanzen und nützlichen oder schädlichen Mikroorganismen nicht mehr allein an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana erforscht wird, startete die Tagung mit einem Vortrag zu der Interaktion einer Trichoderma-Art, einem Biokontrollpilz, und Arabidopsis, um den molekularen Effekt auf die Salztoleranz zu untersuchen. Neben der Interaktion von Pflanzen mit pathogenen Mikroorganismen werden immer häufiger die Reaktionen unter abotischen Stressbedingungen untersucht, da insbesondere Salzstress inzwischen - neben Trockenstress - weltweit ein immer häufigeres Problem darstellt. Aus demselben Labor wurde über Azelainsäure berichtet und deren Effekt auf die systemischen Signalwege von Arabidopsis und dem wachstumsfördernden endophytischen Pilz Serendipita indica (früher Piriformospora). Azelainsäure findet sich in Kosmetika, ist aber auch für Pflanzen ein wichtiges Signalmolekül, dessen Bedeutung erst seit kurzem bekannt ist. Im Weiteren war die Modellalge Chlamydomonas reinhardtii Untersuchungsobjekt einer anderen Forschergruppe aus Jena. Hier konnte gezeigt werden, dass die bakterielle Substanz Orfamid A verschiedene Effekte auf die Interaktionen hatte, z.B. auf Calcium-Kanäle und das Abwerfen der Geißeln der Grünalge. Diese Effekte konnten auf einen spezifischen Teil der Struktur in der Orfamid A-Verbindung zurückgeführt werden, indem die Forschenden einzelne Varianten hergestellt und getestet hatten. Am zweiten Tag zeigten Vortragende mit demselben Bakterium (Pseudomonas protegens), dass auch eine Biokontrolle von Pflanzenkrankheiten möglich ist. In Dresden wird erforscht, ob P. protegens in der Lage ist, die Krankheit Kohlhernie von Brassicaceen wie beispielsweise Raps einzudämmen, was tatsächlich erfolgreich schien.
Plastiden und Lichtperzeption
Dass Plastiden Stromuli bilden, ist zwar schon länger bekannt, aber die Funktion dieser Plastidenauswüchse ist immer noch unbekannt, auch wenn sie schon eine Zeit lang in Halle untersucht werden. Schöne mikroskopische Bilder konnten daher auch nur Details zur Lokalisierung klären, jedoch die Frage zur Funktion noch nicht beantworten. Licht ist wichtig für die Photosynthese, aber auch für die Orientierung von Pflanzen in ihrer Umwelt und für das Zurechtkommen mit Stressoren. In Leipzig wird untersucht, wie Blaulicht sich auf die Elektronenverteilung von Diatomeen auswirkt. Detaillierte Ergebnisse zu verschiedensten Lichtbehandlungen der Kieselalgen ergaben, dass Aureochrome Blaulicht-induzierte Transkriptionsfaktoren darstellen und damit als Photorezeptoren eine wichtige Rolle spielen, wie mit Hilfe von Mutanten aufgeklärt werden konnte. In der UV-Perzeption von C. reinhardtii spielen andere Rezeptoren eine Rolle, wie von Forschenden der Universität Jena berichtet wurde. Das aus der Cryptochrom-Familie stammende CRY-DASH1 ist notwendig, die photosynthetische Maschinerie der Grünalge zu balancieren. Diese Untersuchungen wurden auf verschiedenen technischen Ebenen präsentiert: mittels Mikroskopie, biochemischer Analyse der Photosysteme und funktional mit Mutanten. Da der Rezeptor im UV-Licht arbeitet, ist er für die Bewältigung bestimmter Stressfaktoren wichtig; es scheint sich bislang auf Grund der Daten um einen negativen Regulator zu handeln.
Andere Organellen
Nicht nur Protein-Import an Plastiden spielt für den ordnungsgemäßen Ablauf der Photosynthese eine Rolle, auch die Mitochondrien als Kraftwerke der Zelle müssen Proteine importieren. Die letzte Vortragsserie thematisierte diesen Import von Proteinen in Organellen. Auch wenn hier bereits viel an der Universität Halle geforscht wird, lag diesmal das Hauptaugenmerk auf dem Import in Mitochondrien. Die vorgestellten Experimente zeigten den sogenannten Tat-Weg in Mitochondrien sowie die Evolution der Spezifität von Transit-Peptidsequenzen. Letztere zeigten bisher keine vorhersagbare Proteinsequenz. Dennoch werden pflanzliche Proteine in der Regel korrekt in die Organellen transportiert, wohingegen Peptide aus Tieren sowohl in Mitochondrien als auch in Plastiden aufgenommen wurden, was die Evolution einer Spezifität nahelegt.
Entwicklung und abiotischer Stress
Sekundärmetabolite spielen auch bei Entwicklungsvorgängen eine Rolle. Bereits publizierte Belege zur Entwicklung der Zygosporen der Grünalge C. reinhardtii wurden in Leipzig weitergeführt und die Veränderungen der genannten Zygosporen im Detail dokumentiert. Sie demonstrierten Veränderungen in der Pigmentzusammensetzung über die Zeit sowie eine damit einhergehende Inhibition der Photosynthese. Aus Halle wurde in zwei Vorträgen über Transkriptionsfaktoren berichtet, die für Haferpflanzen sowohl in der Entwicklung als auch bei der abiotischen Stressbewältigung wichtig sind. Über den Faktor HvFP1 wurde schon auf früheren Tagungen berichtet. Er gehört zu einer Gruppe von Proteinen, die mit der Bewältigung von Schwermetallstress assoziiert wurden. Diesmal wurden neue Daten zur Integration der Stressantwort und der Blattentwicklung während der Seneszenz vorgelegt. Der zweite Transkriptionsfaktor befindet sich sowohl in Plastiden als auch im Zellkern und führt zu unterschiedlicher Genexpression. Funktionale Analysen zeigten eine Beteiligung der Abscisinsäure auf. Zum Schluss des Treffens wurden die Arabidopsis F-Box Proteine ZAUDERER1 und ZAUDERER2 vorgestellt, auch wenn es sich dabei ehr um eine Beschreibung eines Phänotyps handelte, denn viel ist zur Funktion noch nicht bekannt, wie die Vortragenden aus Leipzig berichten. Insbesondere ist hier die Identifizierung der Zielproteine wichtig, die durch Bindung an die F-Box letztendlich in den Proteasomweg der Zelle zum Abbau eingeschleust werden sollen.
Sekundärmetabolismus und Strategien zur Erhöhung der Produktion
Die Biosynthese von Sekundärmetaboliten – auch spezialisierte Metaboliten genannt – spielen bei vielen Stressreaktionen eine Rolle sowie bei der Interaktion von Organismen mit ihrer Umwelt. Hier können sie für die produzierenden Organismen viele Vorteile bieten. Sie sind aber auch wichtig für die Nutzung als bioaktive Substanzen. Daher untersuchen viele die Biosynthese bzw. deren Regulation. Nur dann kann über eine zukünftige Produktion in größeren Mengen nachgedacht werden. Viele Vorträge waren tatsächlich den Biosyntheseleistungen gewidmet. Dieses Thema startete mit einem Vortrag von der Universität Leipzig zu der Charakterisierung einer Nicht-Ribosomalen Peptid-Synthetase. Diese großen, bislang nur aus Prokaryonten und Pilze bekannten Enzym-Module, wurden hier erstmals in einem photosynthetischen Organismus charakterisiert, der eukaryotischen Alge Cyanophora paradoxa. Die Produktion des Proteins gelang vielleicht auch deshalb, weil diese NRPS nur aus zwei Modulen besteht.
Für eine verstärke Expression macht man sich in Leipzig die cis-regulatorischen Elemente von C. reinhardtii zu Nutze, um dadurch eine Überexpression zu erreichen, was in verschiedenen Beispielen gelang. In Jena wird die Möglichkeit untersucht, Cytochrom P450 abhängige Monooxigenasen in Cyanobakterien heterolog zu exprimieren. Auch hier konnten bereits positive Ergebnisse vorgestellt werden. Die Cyanobakterien als photosynthetische Organismen können hierbei die Elektronen für die Oxidation auf alternativen Wegen bereitstellen. Schließlich wurde aus Leipzig weit entwickelte Algenbiotechnologie geschildert, in der veränderte Algen auf „grünem Weg“ Chemikalien herstellen. Hierbei gelang es der Vortragenden den Bogen vom proof-of-concept über Prozessoptimierung bis hin zum Hochskalieren zu spannen, was das Anwendungspotential sichtbar machte.
Resumee
In den Vorträgen wurde so viel Neues präsentiert, dass jeder neue Ideen und Anregungen für den eigenen Laboralltag mitnehmen konnte. Das nächste Mal treffen sich die Pflanzenphysiologinnen und Physiologen im kommenden Jahr zur 21. Tagung in Leipzig. Auch wenn alle vier beteiligten Universitäten hauptsächlich Grundlagenforschung betreiben, nehmen praktische Aspekte in etlichen Arbeiten und Vorträgen einen immer größeren Stellenwert ein. Dies zeigt, dass die molekulare Pflanzenphysiologie auch eine Zukunft im Anwendungsbereich hat.
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Tagungsbericht von Prof. Dr. Jutta Ludwig-Müller, Pflanzenphysiologie, Technische Universität Dresden